Glossar

Erklärungen zu Begriffen aus dem Bereich der Provenienzforschung und den vier Forschungskontexten von Proveana.

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B

Bergungsdepot

  • Kriegsbedingt verlagertes Kulturgut

Berliner Afrika-Konferenz

Unter Beteiligung von 13 europäischen Staaten sowie den USA und des Osmanischen Reichs fand diese Konferenz - auch als "Kongokonferenz" bezeichnet - vom 15.11.1884 bis zum 26.2.1885 in Berlin statt. Anlass für das Treffen war der seit den 1880er Jahren immer deutlicher werdende Wettstreit um politische Einflusssphären der europäischen Kolonialmächte auf dem afrikanischen Kontinent. Immer mehr europäische Staaten begannen mit der Besetzung von entsprechenden Gebieten. In dieser Situation konnte der belgische König Leopold II., Frankreich und das Deutsche Reich davon überzeugen, dass eine gemeinsame Übereinkunft der westlichen Kolonialmächte zur Aufteilung von Interessenphären sinnvoll wäre. Der belgische König verfolgte dieses Ziel zur Absicherung seiner Besitzes am Kongo-Freistaat. Im Ergebnis sollte die Konferenz die gegenseitige Anerkennung von Interessensgebieten und die damit einhergehende Vermeidung von Konflikten unter den Kolonialmächten erreichen. Auch wenn auf der Konferenz nicht die späteren kolonialen Grenzen des afrikanischen Kontinents festgelegt wurden, so bildete die von den Teilnehmerstaaten verabschiedete Kongo-Akte doch die Grundlage für die weitere Aufteilung Afrikas. Die Konferenz steht damit symbolisch für die Aufteilung Afrikas durch die europäischen Kolonialmächte, die in den folgenden Jahrzehnten stattfand. (JH)

  • Kultur- und Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten

Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte

1869 wurde auf Initiative mehrerer Gelehrter unterschiedlicher Fachrichtungen (Rudolf Virchow, Adolf Bastian, Robert Hartmann) die „Berliner Anthropologische Gesellschaft“ ins Leben gerufen, aus der die “Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte” hervorgegangen ist. Ähnliche Gesellschaften entstanden zu dieser Zeit auch in anderen deutschen und europäischen Städten. Sie dienten dem Austausch von Wissenschaftler:innen und interessierten Privatleuten zu bestimmten Fachgebieten. Die BGAEU besaß weltweit korrespondierende Mitglieder, die untereinander häufig einen regen Briefverkehr führten. Insbesondere im 19. Jahrhundert waren einflussreiche Wissenschaftler:innen aus der Ethnologie, Anthropologie und Archäologie Mitglieder der Gesellschaft.
Die BGAEU existiert bis heute. Sie besitzt ein eigenes Archiv und betreut mit der Rudolf-Virchow-Sammlung (RV-Sammlung) eine wichtige anthropologische Sammlung, deren außereuropäische Bestände größtenteils während der deutschen Kolonialzeit angelegt wurden. Zahlreiche Sammlungen der Berliner Museen gehen auf frühere Forschungen der Gesellschaft zurück und sind teilweise bis heute rechtlich ihr Eigentum.
Seit ihrem Entstehen organisiert die BGAEU regelmäßig Vorlesungen, Diskussionen und andere Veranstaltungen für ihre Mitglieder. Außerdem ist sie seit der Gründung an der Herausgabe der “Zeitschrift für Ethnologie” beteiligt und publiziert seit 1965 die „Mitteilungen der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte“, in denen die Vorträge und Referate der monatlichen Sitzungen, die Beiträge aus den Gremien, die Geschäftsberichte sowie Informationen über die sonstigen Aktivitäten der Gesellschaft und ihrer Mitglieder veröffentlicht werden. (SF)

  • Kultur- und Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten

Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte: Geschichte.  http://www.bgaeu.de/ (letzer Zugriff 24.08.2021)

Beschlagnahme

Im Kontext NS-verfolgungsbedingtes entzogenes Kulturgut:

Bezeichnet allgemein eine zwangsweise Sicherstellung von Gütern durch den Staat. Im Kontext des NS-Kulturgutraubes ging mit der Beschlagnahme von Wohnungseinrichtungen jüdischer Bürger häufig die Konfiskation einher, d.h. eine entschädigungslose Enteignung der Güter mit dem Ziel ihrer weiteren →"Verwertung". (SL)

Im Kontext Kulturgutentziehungen in SBZ und DDR:

In der SBZ konnten B. ohne richterlichen Beschluss entweder durch die →SMAD und ihre Angehörigen oder durch (von der jeweiligen deutschen Provinzialverwaltung eigens eingerichtete) Beschlagnahmedezernate durchgeführt werden. Fallweise beschlagnahmten auch Polizei-Dienststellen, der Ausschuss zum Schutze des Volkseigentums (Vorläufer des →MfS), ja selbst örtliche Bürgermeister auf Befehl oder mit Duldung der Besatzungsmacht. In der DDR konnten B. ohne richterlichen Beschluss nur durch die →Volkspolizei, das →MfS oder die →Zollverwaltung vorgenommen werden. (MD)

  • NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut
  • Kulturgutentziehungen in SBZ und DDR

Beu­te­gut

  • Kriegsbedingt verlagertes Kulturgut

Beu­te­kunst

  • Kriegsbedingt verlagertes Kulturgut

Bodenreform

Im Jahr 1945 auf Betreiben der →SMAD ergangene Verordnungen für eine großflächige sog. „demokratische Bodenreform“ (der Provinz Sachsen am 3. September, der Provinz Mark Brandenburg am 6. September, des Landes Mecklenburg-Vorpommern am 7. September, des Landes Sachsen am 11. September und des Landes Thüringen am 12. September) durch die entschädigungslose Enteignung von adeligem oder großbürgerlichem Grundbesitz über 100 Hektar Größe sowie Landgütern jeglicher Größe von „Kriegsverbrechern und Naziaktivisten“ (→Sequesterbefehl) einschließlich allen „lebenden und toten“ Inventars. Auch städtische Liegenschaften bodenreformbetroffener Eigentümer unterlagen dem Entzug. Die Gutshäuser wurden teilweise als „Wahrzeichen des Feudalismus“ abgerissen, die Kunstobjekte, das Ausstattungsinventar, die Guts- und Adelsarchive meist den Museen zur Abholung gemeldet (→Schlossbergung). Im Zuge der B. enteignete Kulturgüter galten als →Volkseigentum, waren aber z.B. dennoch aus Furcht vor Anspruchstellern grundsätzlich vom Auslandsleihverkehr der Museen ausgeschlossen. Die erste frei gewählte Volkskammer der DDR bestätigte 1990 die Unantastbarkeit der Bodenreform und löste damit eine Welle der Entrüstung bei Alteigentümern aus, die sich teilweise zum nunmehr dritten Mal enteignet fühlten (wie z.B. die Familie Mendelssohn-Bartholdy), 1991 bekräftigte das Bundesverfassungsgericht abermals die Bestandskraft der SBZ-Bodenreform. Das →EALG von 1994 immerhin legte die Rückgabe des beweglichen, heute noch existierenden verstaatlichten Vermögens fest, sofern ein Antrag auf Rückgabe gestellt wird, ließ aber unter bestimmten Bedingungen einen →Nießbrauch zu, der spätestens am 30.11.2014 allgemein endete. (MD)

  • Kulturgutentziehungen in SBZ und DDR

Boxerkrieg

Der sogenannte "Boxer-Krieg" bezeichnet den gewaltsamen Widerstand einer als "Boxer" bezeichneten Bewegung gegen den europäischen, US-amerikanischen und japanischen Imperialismus in China. Die "Boxerbewegung" hatte ihren Ursprung in ungleichen sozialen und politischen Bedingungen, die z.B. durch christliche Mission und ungleiche Verträge zwischen China und den imperialistischen Mächten hervorgerufen wurden. Im Frühjahr und Sommer 1900 erreichte der Konflikt seinen Höhepunkt, als es zu gewaltsamen Aktionen gegen Ausländer:innen und chinesische Christ:innen kam, dabei wurde unter anderem der deutsche Gesandte ermordet. In der Folge kam es zur Entsendung von zwei →"Strafexpeditionen", die schließlich den Sieg der alliierten Kolonialmächte über China und die Unterdrückung der "Boxerbewegung" zur Folge hatten.
Bei der Bezeichnung "Boxer" handelt es sich um einen durch die europäischen Mächte geprägten Begriff, der sich vor allem auf die Ausbildung der ersten Mitglieder der Bewegung in traditioneller Kampfkunst bezieht. Die chinesische Eigenbezeichnung der "Boxer" war dagegen "Yihetuan" (Verband für Gerechtigkeit und Harmonie) bzw. "Yihequan" (Fäuste der Gerechtigkeit und Harmonie). (JH)

  • Kultur- und Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten

Bundesratsbeschluss von 1889

Laut eines Bundesratsbeschlusses vom 21. Februar 1889, der am 22. Juli 1890 in Kraft trat, mussten Sammlungen, die aufgrund ihrer Zusammensetzung von wissenschaftlichem Interesse waren, und die auf staatlich finanzierten Expeditionen in den deutschen Kolonien zusammengestellt worden waren und anschließend veräußert werden sollten, zunächst den öffentlichen deutschen wissenschaftlichen Institutionen zur Verfügung gestellt werden. Dies betraf ethnografische, zoologische, botanische und mineralogische Sammlungen sowie die wissenschaftlich relevanten Nachlässe verstorbener deutscher Kolonialbeamter oder Forschungsreisender. Entsprechende Materialien und Sammlungen waren zunächst an das Berliner Völkerkundemuseum zu senden, das dann die nicht-ethnografischen Sammlungen an die anderen Berliner Museen weiterleitete. Die ethnografischen Objekte blieben im Museum oder wurden als sogenannte „Dubletten“ eingestuft und konnten damit dem Verkauf bzw. auch der kostenlosen Abgabe zum Beispiel durch Tausch zugeführt werden. Dafür wurden entsprechende Verzeichnisse erstellt und zunächst an die Museen der anderen deutschen Länder versandt. 1891 wurde die Regelung auch generell auf die in den →„Schutzgebieten“ tätigen Beamten und Angehörigen der "Schutztruppe" ausgedehnt, die während ihrer Tätigkeit entsprechende Sammlungen angelegt hatten und diese veräußern wollten. Dieser sogenannte „Dubletten-Erlass“ begründete einerseits die Zentralstellung des Berliner Völkerkundemuseums, andererseits sorgte er für eine Konkurrenz der ethnologischen Museen untereinander. Gleichzeitig gab es von Anfang an viele Bestrebungen, die Bestimmungen zu umgehen. (SF)

  • Kultur- und Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten