EALG
- Kulturgutentziehungen in SBZ und DDR
Einzelfallrecherche
Wenn eine kulturgutbewahrende Einrichtung (bspw. eine Bibliothek oder ein Museum) ein →Auskunftsersuchen oder eine →Restitutionsforderung zu einem Objekt in seinem Besitz von Dritten erhält (seitens mutmaßlicher rechtmäßiger Eigentümer bzw. deren Rechtsvertretern), steht eine Recherche zur Provenienz des infrage stehenden Objektes an. Üblicherweise wird dies im Wege der kurzfristigen Projektförderung vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste gefördert. (SL)
- NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut
Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz
Das „Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz“ (EALG) vom 27. September 1994 vereint als sog. Artikel- oder Mantelgesetz gebündelt unter anderen (im Artikel 1) das Entschädigungsgesetz (EntschG) zur Regelung offener Vermögensfragen im Falle der Unmöglichkeit einer Naturalrestitution für Enteignungen der DDR, also zwischen 1949 und 1990, und (im Artikel 2) das Ausgleichsleistungsgesetz (AusglLeistG) für Ausgleichsansprüche nach Enteignungen während der Zeit der sowjetischen Besatzung 1945–1949, die nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Sofern die Enteignungen auch bewegliche, also rückgabefähige Vermögenswerte (wie Kunstobjekte, Kunstgewerbe, Hausrat, Bibliotheken, Archivalien) betrafen, waren diese nach § 5 des AusglLeistG nach Antragstellung an den Alteigentümer wieder zurückzugeben – sofern er nicht selbst an den Sachen durch rechtskräftige Vorgänge wie Verkauf, Schenkung o.ä. sein Eigentum freiwillig aufgegeben hatte. Aus der gesetzlichen Regelung ergab sich nicht von selbst, welche Alteigentümer oder Rechtsnachfolger tatsächlich anspruchsberechtigt waren, sondern eigentums- und erbrechtliche Fragen mussten in Zusammenarbeit von Anspruchsberechtigten, den Landes- und Kreisarchiven sowie den Ämtern zur Regelung offener Vermögensfragen (ARoVs, LARoVs) teils langwierig erst geklärt werden. Eine verzögerte Rückgabe an Berechtigte durch kulturgutbewahrende Einrichtungen war unter bestimmten Auflagen möglich (→Nießbrauch). (MD)
- Kulturgutentziehungen in SBZ und DDR
Erbenermittlung
Die Erbenermittlung schließt sich an die Provenienzforschung an: Wenn die Provenienz eines entzogenen Objekts erfolgreich recherchiert und ein rechtmäßiger Eigentümer identifiziert werden konnte, folgt die Suche nach dessen Nachfahren bzw. den Anspruchsberechtigten, damit eine "gerechte und faire Lösung" im Sinne der Washingtoner Prinzipien herbeigeführt werden kann. Die juristische Ermittlung der Erbberechtigten bzw. Rechtsnachfolge ist zu unterscheiden von der Genealogie, welche Familiengeschichte und -zweige rekonstruiert. Das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste bietet einen Einstieg mit Hinweisen und Links auf seiner Website an. Im Leitfaden Provenienzforschung findet sich eine ausführliche Darstellung der Methodik und relevanter Quellen.(SL)
- NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut
Erschließung von Archivgut
Bezeichnet die Ordnung und Verzeichnung von Archivgut, damit es zu Recherchezwecken nutzbar wird. Die Tektonik eines Archivs gliedert die Archivalien, in der Regel wird hier das Provenienzprinzip angewandt: Sie werden nach ihrer Herkunft bzw. ihrem Entstehungszusammenhang sortiert. Demgegenüber steht das Pertinenzprinzip, das Archivalien nach Sachthemen gruppiert. Ein Findmittel, in dem alle Archivalien nach archivwissenschaftlichen Standards strukturiert verzeichnet sind, erleichtert als Ergebnis der Erschließung die differenzierte Vorrecherche nach relevantem Schriftgut. Für die Provenienzforschung ist die Erschließung von Archivbeständen unabdingbar, da sie eine effektive Recherche ermöglicht. Ein unerschlossenes Archivale kann nicht identifiziert, aufgefunden und genutzt werden. In Deutschland sind die öffentlichen Archive entsprechend dem föderalen System auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene organisiert. Die Tektonik der Landesarchive und kommunaler Archive unterscheidet sich aufgrund des Provenienzprinzips von Bundesland zu Bundesland insofern, als die politischen und staatlichen Strukturen und Behörden historisch unterschiedlich geartet waren. Mitunter ist für die Provenienzforschung relevantes historisches Archivgut noch nicht erschlossen, hier kann eine Projektförderung durch das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste eine sachthematische Erschließung ermöglichen. (SL)
- NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut
- Kriegsbedingt verlagertes Kulturgut
- Kulturgutentziehungen in SBZ und DDR
- Kultur- und Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten
Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Landesarchiv Baden-Württemburg (Hg.): Archivporal-D. Glossar, www.archivportal-d.de/info/glossar (letzter Zugriff 02.12.2020).
Erstcheck
Beschreibt eine besondere Projektart in der Projektförderung des Deutschen Zentrum Kulturgutverluste: Kleine kulturgutbewahrende Einrichtungen (bspw. Heimatmuseen und Stadtbibliotheken) verfügen häufig nicht über die notwendigen Mittel und Kapazitäten um die Provenienzforschung adäquat vorzubereiten, d.h. Vorarbeiten für einen Antrag auf Förderung beim Zentrum zu leisten, oder eigene Bestände zu prüfen. In solchen Fällen können regionale Verbände (bspw. die Bibliotheks- und Museumsverbände in den Bundesländern) einen Erstcheck für eine ausgewählte Anzahl ihrer assoziierten Einrichtungen beim Zentrum beantragen. Das Format dient dazu, den Bedarf an Provenienzforschung einzuschätzen, Verdachtsmomente auf NS-Raubgut oder koloniale Kontexte bei der Sammlung zu eruieren und die Ausgangs- und Quellenlage zu sondieren. Das Ergebnis des Erstchecks ist eine individuelle Empfehlung zum weiteren Vorgehen, die anschließend Basis für einen Antrag auf →systematische Bestandsprüfung sein kann. Konzipiert wurde das Format des Erstchecks für den Bereich des NS-Raubgutes von der ehemaligen Arbeitsstelle für Provenienzforschung und dem Museumsverband des Landes Brandenburg e.V., daher ist es auch als "Brandenburger Modell" bekannt. Mittlerweile wurden Erstchecks in zahlreichen Bundesländern sowohl im Wege der kurzfristigen als auch der langfristigen Förderung durch das Zentrum durchgeführt. Im Bereich des Sammlungsgutes aus kolonialen Kontexten ist es auch für einzelne Einrichtungen möglich einen Erst-Check zu beantragen. Bewertungskriterien sind hier die personelle oder finanzielle Ausstattung, die (nicht) vorhandene fachwissenschaftliche Expertise, oder auch die Größe der Sammlung selbst. (SL, SF)
- NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut
- Kultur- und Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten
Ethnographica / Ethnographica-Handel
Mit der Entwicklung der Ethnologie als wissenschaftlicher Disziplin wurden die vormals in Wunderkammern oder Kurisoitätenkabinetten lagernden Gegenstände aus anderen Ländern nicht mehr als →„Exotika“, Kuriositäten oder Raritäten, sondern zunehmend als „Ethnograpica“ bezeichnet. Im 19. Jahrhundert spezialisierten sich mehrere Händler auf solche Objekte und profitierten beim Erwerb von kolonialen Infrastrukturen. Die bekanntesten unter ihnen sind →Umlauff, →Godeffroy, →Konietzko und →Speyer. Nicht nur Privatpersonen, auch Museen und wissenschaftliche Sammlungen kauften Objekte von Händlern, die sich bis heute in den Häusern befinden. Begrifflich auffällig ist die Abgrenzung zu „Asiatika“, die zwar auch aus Ländern außerhalb Europas stammen, denen jedoch im kolonialen Weltbild häufig eine andere und höhere Wertigkeit zugeschrieben wurde. Der Begriff „Ethnographica“ bzw. “Ethnografika” ist bis heute in manchen musealen Zusammenhängen sowie im Kunsthandel gebräuchlich, und wird auch zur Abgrenzung von “Archäologica” genutzt. (SF)
- Kultur- und Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten
Europäische Expansion
Unter dem Begriff der europäischen Expansion wird die allmähliche politische und kriegerische Ausweitung der Herrschaft europäischer Staaten auf weite Teile Afrikas, Amerikas, Asiens, Australiens und Ozeaniens seit der frühen Neuzeit bezeichnet. Die europäische Expansion begann im 15. Jahrhundert mit den Fahrten der Portugiesen nach Afrika und der Spanier nach Amerika. Einen Höhepunkt fand sie mit dem Kolonialismus und Imperialismus der europäischen Mächte (insbesondere Frankreich, Niederlande, Großbritannien, Deutschland) im 19. und frühen 20. Jahrhundert.
Diese meist gewalttätige Expansion führte zur Ausbreitung der europäischen Kultur, des Christentums, der europäischen Sprachen, aber auch der europäischen Krankheiten auf nahezu allen Kontinenten. Durch Emigration europäischer Kolonisten, den Sklavenhandel sowie die gewalttätige Bekämpfung, Assimilierung, Vertreibung oder Dezimierung der lokalen Gesellschaften veränderte sich in vielen der kolonisierten Gebiete die lokale Bevölkerungsstruktur. Die Kolonialherrschaft führte zur gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Unterdrückung und Marginalisierung lokaler Gesellschaften, die in vielen ehemals kolonisierten Ländern bis heute fortwirkt. Wirtschaftlich gesehen bildeten der europäisch dominierte Seehandel und die Ausbeutung der Kolonien in Bezug auf ihre Ressourcen die Grundlage für die Entwicklung weltweiter Wirtschaftsbeziehungen (Globalisierung), aber auch die strukturellen, politischen und wirtschaftlichen Ungleichheiten der heutigen Weltordnung. (SF)
- Kultur- und Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten
Exlibris
Als Exlibris werden Besitzvermerke in Büchern bezeichnet, die in Form von Aufklebern oder Stempeln angebracht werden und ihren Eigentümer nennen. Sie sind damit ein wesentliches →Provenienzmerkmal von Büchern, das bei der →Autopsie von Interesse ist. Neben standardisierten, simplen Formen gibt es von Grafikern angefertigte Exlibris hoher künstlerischer Qualität, die selbst Gegenstand der Sammelleidenschaft sind. Die online zugängliche Verbunddatenbank Looted Cultural Assets dokumentiert neben sämtlichen Provenienzmerkmalen in Büchern auch Exlibris zum Zweck der kooperativen Provenienzforschung, sie ist ein Gemeinschaftsprojekt mehrerer deutscher Bibliotheken. (SL)
- NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut
- Kriegsbedingt verlagertes Kulturgut
- Kulturgutentziehungen in SBZ und DDR
- Kultur- und Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten
Exotismus
Der Begriff des „Exotischen“ fand vor allem im Zeitalter der europäischen Aufklärung und des Kolonialismus Eingang ins Deutsche. Er bezog sich auf "ausländische", "fremdländische", "überseeische" Dinge oder Personen, die damit in einen deutlichen Gegensatz zum Eigenen gestellt wurden. Insbesondere „exotische Personen“ dienten Europäer:innen als Projektionsfläche für eigene Wünsche und Sehnsüchte – wie etwa die Vorstellung, die meist kolonisierten Bewohner:innen anderer Länder seien sexuell freizügiger oder lebten als „Naturvolk“ stärker im Einklang mit der Natur. Entweder als „edle Wilde“ oder auch als „gefährliche Primitive“ verklärt, schrieben die Europäer:innen ihnen auch Bedrohliches, Unverständliches oder Unkontrolliertes zu. Viele der damals geprägten Vorstellungen wirken heute in populärkulturellen Zusammenhängen fort (etwa in der Tourismusbranche).
Vor allem im 18. Jahrhundert und in der ersten Hälfte des 19. Jahrhundert wurden auch die aus den „exotischen“ Ländern stammenden Objekte, Pflanzen, oder Tiere als „Exotika“ bezeichnet, und zunächst in den fürstlichen Wunderkammern, später in den neu gegründeten Museen ausgestellt. (SF)
- Kultur- und Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten
Expedition
Der Begriff Expedition wird im Zusammenhang mit kolonialgeschichtlichen Ereignissen häufig als Bezeichnung für Forschungs- und Entdeckungsreisen gebraucht. Dabei ist zu beachten, dass die Verwendung aus einer rein westlichen Perspektive erfolgte. Die als "Expedition" bezeichneten Reisen von Forschenden, Kolonialbeamten und Militärs verfolgten häufig nicht nur wissenschaftliche Ziele, sondern dienten u.a. auch der Ausdehnung der Kolonialherrschaft und der Demonstration militärischer Stärke. (JH)
- Kultur- und Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten
→Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz