Glossar

Erklärungen zu Begriffen aus dem Bereich der Provenienzforschung und den vier Forschungskontexten von Proveana.

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N

Neuguinea-Kompagnie

Die Neuguinea-Kompagnie (auch Neuguinea-Compagnie) war eine 1882 in Berlin durch Bankiers und Großfinanziers als Neuguinea-Konsortium gegründete Gesellschaft. Ihr Ziel war der Erwerb von Kolonialbesitz in Ozeanien um hier Handel und Plantagenwirtschaft betreiben bzw. mit dem Land spekulieren zu können. Sie formierte sich vor allem aufgrund der starken kolonialwirtschaftlichen Konkurrenz zu Großbritannien und Australien, die in der gleichen Region Interessen anmeldeten. Am 17. Mai 1885 bekam die Kompagnie mit dem kaiserlichen „Schutzbrief“ die Hoheitsrechte für den Nordosten Neuguineas (genannt "Kaiser-Wilhelms-Land") und den Bismarck-Archipel übertragen. Am 13. Dezember 1886 kamen die Nord-Salomonen dazu. Die Neuguinea-Kompagnie hatte damit autonome Selbstverwaltungsrechte und konnte das ihr vom Deutschen Reich zuerkannte Land in Besitz nehmen sowie eigenständig mit der Bevölkerung Verträge über Land abschließen.
Wegen drohender Insolvenz der Kompagnie war das Deutsche Reich gezwungen, am 7. Oktober 1898 die Hoheitsrechte für die Kolonie" Kaiser-Wilhelm-Land" zurückzukaufen. Ab dem Jahr 1899 verwaltete das Kaiserreich die Kolonien als Teil von →"Deutsch-Neuguinea". An Stelle des früheren Landeshauptmanns trat der kaiserliche →Gouverneur. Auch nach 1899 war die Kompagnie jedoch weiterhin unternehmerisch in den pazifischen Kolonien tätig (Anbau von Kopra, Tabak und Baumwolle) und besaß bei Beginn des ersten Weltkriegs nach wie vor große Gebiete vor Ort. (SF)

  • Kultur- und Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten

Nießbrauch

Nießbrauch bedeutet allgemein das Recht auf die Nutzung von fremdem Eigentum, ohne es zu verändern. Der Nießbraucher trägt dabei alle Unterhaltskosten. Für den Komplex der Kulturgutentziehungen ist mit "Nießbrauch" jedoch besonders das im Jahre 1994 den öffentlichen Sammlungen der ehemaligen DDR gewährte Nutzungsrecht an rückgabebetroffenen Objekten aus der →Bodenreform gemeint.

Das sog. →EALG legte fest, dass zwischen 1945 und 1949 entzogenes, bewegliches Privatvermögen grundsätzlich zurückzugeben ist, sofern es heute noch existiert und der Anspruch über das Bundesamt oder die (Landes-)Ämter zur Regelung offener Vermögensfragen (BARoV, LARoV oder ARoV) angemeldet wurde. Museumsstücke aber, die als besondere historische Kulturzeugnisse angesehen wurden, konnten für eine Dauer von 20 Jahren zum Nutzen der Öffentlichkeit und Forschung, vor allem aber zur einvernehmlichen Regelung der künftigen Nutzung reserviert bleiben. Für Objekte allerdings, die mehr als zwei Jahre nicht mehr ausgestellt worden waren, galt kein Nießbrauchrecht.

Alle Fristen für einen Nießbrauch sind seit 31. November 2014 abgelaufen. Seitdem ist eine Nutzung solcher Fremdbestände den Museen nur noch mit ausdrücklicher Zustimmung der rechtmäßigen Eigentümer möglich. (MD)

  • Kulturgutentziehungen in SBZ und DDR

Norddeutscher Lloyd

Der Norddeutsche Lloyd war eine deutsche Reederei, die am 20. Februar 1857 von Hermann Henrich Meier und Eduard Crüsemann in Bremen gegründet wurde. Sie entwickelte sich zu einem der bedeutendsten deutschen Schifffahrtsunternehmen des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts und war sowohl in der Handelsschifffahrt als auch im Personenverkehr tätig. Die Zeit der stärksten Expansion begann mit der Gründung des →Kaiserreiches: Neben den Transatlantikrouten nach Nord- und Südamerika gewann der Lloyd 1885 die Ausschreibung der Reichspostdampferlinien nach Australien und Ostasien. Diese Linien wurden vom Deutschen Reich auf Grund der Postbeförderung stark subventioniert. Bis 1890 entwickelte sich der Lloyd zur zweitgrößten Reederei der Welt und zur größten deutschen Reederei.
Viele Sammler und Wissenschaftler nutzen die Verbindungen auch zur Organisation von Forschungsreisen und zum Transport von Objekten: Hugo Schauinsland, Zoologe und Gründungsdirektor des heutigen Übersee-Museums Bremen, hatte beispielsweise mit dem Lloyd eine Abmachung, die ihm die Befreiung von Reise- und Frachtkosten auf den Schiffen sicherte. Die Schiffe wurden aber auch zur Truppenbeförderung eingesetzt (z.B. 1900 zur Bekämpfung des sogenannten →„Boxer-Krieges“); generell stand das Unternehmen dem preußischen Herrscherhaus sehr nahe. Trotz großer finanzieller Verluste und diverser Unternehmensumstrukturierungen existierte der Lloyd durch beide Weltkriege hindurch und bis in die deutsche Nachkriegszeit. Erst am 1. September 1970 fusionierte er mit der Hamburg-Amerikanischen Packetfahrt-Actien-Gesellschaft (HAPAG) zur Hapag-Lloyd AG, die bis heute eines der bedeutendsten Transport- und Logistikunternehmen darstellt. (SF)

  • Kultur- und Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten

NS-Raubgut

  • NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut

NS-Raubkunst

  • NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut

NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut

Bei NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut handelt es sich um Kulturgut, das zwischen 1933 und 1945 verfolgten Personen entzogen worden ist. Gleichbedeutend werden die Bezeichnungen „NS-Raubgut“ oder „NS-Raubkunst“ verwendet. Die internationalen Washingtoner Prinzipien von 1998 verwenden die Bezeichnung „beschlagnahmte Kunstwerke“ (Nazi-confiscated art). Die deutsche Gemeinsame Erklärung von 1999 spricht von „NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut, insbesondere aus jüdischem Besitz“. Die Begriffe sind darüber hinaus national bzw. international nicht verbindlich definiert.
Der Begriff des Kulturguts wird im Zusammenhang mit der Aufarbeitung des nationalsozialistischen Kulturgutraubs in einem weiten Sinn verstanden und kann über gesetzliche Definitionen, wie etwa des Kulturgutschutzgesetzes (§ 2 Absatz 1 KGSG), hinausgehen. So können auch damalige Alltagsgebrauchsgegenstände (bspw. Tellerservice, Kraftfahrzeuge) als Kulturgut angesehen werden. Maßgeblich bei der Betrachtung von „NS-Raubgut“ sind das Schicksal des betroffenen Eigentümers oder der betroffenen Eigentümerin und die Verlustgeschichte des Objekts, nicht dagegen der materielle oder (kunst-)historische Wert.
Der Begriff des NS-verfolgungsbedingten Entzugs umfasst unterschiedliche Fallgruppen eines Vermögensverlusts während der Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft (in Abgrenzung etwa zu einer freiwilligen Veräußerung). Für die Prüfung dieser Frage in der Praxis von Museen, Sammlungen, Archiven etc. wurde eine von der Beauftragen der Bundesregierung für Kultur und Medien herausgegebene Handreichung erarbeitet, die eine „Orientierungshilfe“ (S. 33 ff.) gibt. Die Hilfestellung in der Handreichung behandelt die Fragen nach der Feststellung einer Verfolgung im Nationalsozialismus, dem Eintritt eines Vermögensverlustes und auch der Beweislastverteilung bzw. Beweiserleichterungen dafür, dass der Verlust durch die Verfolgung eingetreten ist.
In den europäischen und außereuropäischen Staaten, die keine Verbündeten des Deutschen Reichs waren und die den Verfolgten Exil boten, veräußerten aus Deutschland Geflüchtete oder Vertriebene zwischen 1933 und 1945 vielfach Kulturgut, das sie aus Deutschland hatten ausführen können. Diese Objekte werden häufig als „Fluchtgut“ bezeichnet. Der Umgang mit Verkäufen im Exil wird bislang unterschiedlich gehandhabt und ist aktuell Gegenstand fachlicher und politischer Debatten (vgl. Leitfaden, S. 18).

  • NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut