Erwerbungen der Stadt Braunschweig bei jüdischen / „arisierten“ Kunsthandlungen in den besetzten Niederlanden und im besetzten Belgien 1941 - 1945
Beschreibung
In seinem zweiten Provenienzforschungsprojekt ließ das Städtische Museum Braunschweig die Erwerbungen der Stadt Braunschweig bei jüdischen/„arisierten“ Kunsthandlungen in den besetzten Niederlanden 1941-1945 untersuchen. Einbezogen in das Projekt zu den Ankäufen bei ausländischen jüdischen Kunsthändlern war zunächst auch ein belgisches Unternehmen, bei dem der begründete Verdacht bestand, dass es sich um eine jüdische Kunsthandlung gehandelt haben könnte. Der Verdacht bestätigte sich jedoch im Verlauf der Recherchen nicht. Insgesamt ging es in dem Provenienzforschungsprojekt um 29 Objekte von sechs Unternehmen: Jacob Stodel, Mozes Mogrobi, Keezer & Zoon, S. E. Mossel, alle Amsterdam, J. Moses, Den Haag, und Severin Frères, Brüssel. Als Ankäufer im Auftrag der Stadt Braunschweig trat Walter Dexel auf. Die erworbenen Objekte wurden Bestandteil der „Braunschweiger Formsammlung“, die sich heute im Städtischen Museum Braunschweig befindet.
Übereinstimmend mit den Erfahrungen der niederländischen Restitutiecommissie (Restitutions Committee) zeigte sich während der Projektarbeit, wie schwierig die Bewertung in Fällen ist, in denen es um Kunsthändler als mögliche Vorbesitzer geht, also um Personen, deren Profession das Handeln, das Kaufen und Verkaufen war auch in Zeiten der Verfolgung. Der Dualismus zwischen Recht und Moral tritt an dieser Stelle besonders deutlich zutage.
Am Ende des Projekts war klar, dass eine eindeutige Zuordnung der bei jüdischen Kunsthändlern in den Niederlanden erworbenen Objekte aus dem Städtischen Museum Braunschweig auf der Grundlage der bisher erzielten Ergebnisse nicht möglich ist. Das offenbare Fehlen substanzieller Geschäftsunterlagen macht sich ebenso negativ bemerkbar, wie die weitgehende Unkenntnis der Geschäftsgebaren dieser Kunsthandlungen. So muss die Frage vorerst ungeklärt bleiben, ob die Objekte aus dem Warenbestand (oder Privatbesitz), also aus dem Eigentum, der Kunsthändler selbst stammen oder ob es sich um Kommissionsware handelt. Sollten die Objekte aus dem Eigentum der jüdischen Kunsthandlungen stammen, stellt sich im Sinne des Prioritätsprinzips die noch unbeantwortete Frage nach den möglicherweise bedenklichen oder belasteten Vorprovenienzen (bis 30. Januar 1933 bzw. 10. Mai 1940).
Unabhängig davon bleibt festzuhalten, dass die jüdischen Kunsthändler die letzten bisher bekannten Vorbesitzer sind. Davon ausgehend und aufgrund des hohen Verfolgungsdrucks durch die antijüdischen Verordnungen der deutschen Besatzungsmacht in den Niederlanden, den damit verbundenen „Arisierungen“ („Wirtschaftsentjudungsverordnung“ vom 21. März 1941) und der daraus resultierenden Tatsache, dass die jüdischen Kunsthändler je nach Sachlage zumindest mittel- und langfristig nicht frei über den Verkaufserlös verfügen konnten („Liro-Verordnungen“ vom 8. August 1941/21. Mai 1942, Verwalter/Treuhänder, Liquidation, Flucht, Deportation), sind die Erwerbungen der Stadt Braunschweig bei jüdischen/„arisierten“ Kunsthandlungen in den besetzten Niederlanden 1941-1945 als solche in unterschiedlichen Abstufungen sehr wahrscheinlich als bedenklich bis belastet anzusehen wobei grundsätzlich aber noch unterschiedlich hoher Erklärungs- und Recherchebedarf besteht.
In der Ausstellung „Konstruierte Welten. Walter Dexel 1890-1973“ (November 2014 bis Februar 2015) sowie im damit verbundenen Ausstellungskatalog wurden die Provenienzforschungen am Städtischen Museum Braunschweig thematisiert.
(c) Städtische Museum Braunschweig
Grunddaten
Forschungsbericht und Materialien
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Zugehörige Ausstellungen und Publikationen
Inhaltliche Bezüge
Personen/Körperschaften
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- Verweist aufKunsthandel Mogrobi
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- Verweist aufMaison Severin Frères, Société Anonyme
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Ereignisse
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Archivalien
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- Verweist aufBestand NS 21 Forschungs- und Lehrgemeinschaft "Das Ahnenerbe"
Literatur & digitale Angebote
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- Verweist aufHansjörg Pötzsch: Walter Dexel, der Kunsthandel und „Das Ahnenerbe“ 1941-1945. Provenienzrecherchen zur Formsammlung des Städtischen Museums Braunschweig, maschinenschriftl. Manuskript, Braunschweig 2014.
- Verweist aufHolger-René Bruckhoff: Zur Entwicklung der Zentralbanken und der Bankenaufsicht in Deutschland und in den Niederlanden. Ein Rechtsvergleich aus rechtshistorischer und zeitgeschichtlicher Perspektive, Frankfurt a. M. 2010.
- Verweist aufHubert Fehr: Germanen und Romanen im Merowingerreich. Frühgeschichtliche Archäologie zwischen Wissenschaft und Zeitgeschehen, Berlin 2010.
- Verweist aufInge van der Vlies: Restitution in den Niederlanden. Ist es gerecht, zwischen privaten Eigentümern und Kunsthändlern zu unterscheiden?, in: Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste Magdeburg (Hrsg.): Verantwortung wahrnehmen. NS-Raubkunst – Eine
- Verweist aufIngo Schiweck: „[…] weil wir lieber im Kino sitzen als in Sack und Asche.“ Der deutsche Spielfilm in den besetzten Niederlanden 1940-1945, Münster 2002.
- Verweist aufJakob Kurz: Kunstraub in Europa 1938-1945, Hamburg 1989.
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- Verweist aufJörn Mazur: Organisationsstrukturen der deutschen Besatzungsverwaltungen in Frankreich, Belgien und den Niederlanden unter besonderer Berücksichtigung des SS- und Polizeiapparates, Diplomarbeit, Konstanz 1997.
- Verweist aufJürgen Lillteicher: Die Rückerstattung jüdischen Eigentums in Westdeutschland nach dem Zweiten Weltkrieg. Eine Studie über Verfolgungserfahrung, Rechtsstaatlichkeit und Vergangenheitspolitik 1945-1971, Univ., Diss., Freiburg i. Br. 2002.
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- Verweist aufKarl Traupe: Der Kriegseinsatz braunschweigischer Schüler 1944 in den Niederlanden, in: Braunschweigisches Jahrbuch für Landesgeschichte, Bd. 80, 1999, S. 179-193.
- Verweist aufKatja Happe/Michael Mayer/Maja Peers (Bearb.): Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933-1945, Bd. 5: West- und Nordeuropa 1940-Juni 1942, München 2012.
- Verweist aufKunstpreis-Verzeichnis, 2. Band, Auktionsergebnisse vom 1. Juli 1940 bis 30. Juni 1941, Berlin 1943.
- Verweist aufKunstpreis-Verzeichnis, 3. Band, Auktionsergebnisse vom 1. Juli 1941 bis 30 Juni 1942, Berlin 1944.
- Verweist aufSchwarzmeier, Leonie: Der NS-verfolgungsbedingte Entzug von Kunstwerken und deren Restitution, Hamburg 2014.
- Verweist aufLeopold Schmidt: Walter Dexel †, in: Österreichische Zeitschrift für Volkskunde, Neue Serie Band XXVII, Gesamtserie Band 76, 1973, S. 247-248.
- Verweist aufLudwig Nestler (Dokumentenauswahl u. Einleitung): Die faschistische Okkupationspolitik in Belgien, Luxemburg und den Niederlanden (1940-1945), Berlin 1990.
- Verweist aufMarcus Kenzler: Ein Museumsstück mit bewegter Geschichte. Der Albarello des Mozes Mogrobi, in: Kulturland Oldenburg. Zeitschrift der Oldenburgischen Landschaft, 2.2014/Nr. 160, S. 46-47.
- Verweist aufMathias Middelberg: Judenrecht, Judenpolitik und der Jurist Hans Calmeyer in den besetzten Niederlanden 1940-1945, Göttingen 2005.
- Verweist auf
- Verweist aufN. K. C. A. In ´t Veld (Hrsg.), De SS en Nederland. Documenten uit SS-Archieven 1935-1945, Deel 1, ´S-Gravenhage 1976.
- Verweist aufNorman-Mathias Pingel: Formsammlung, in: Luitgard Camerer u. a. (Hrsg. im Auftrag der Stadt Braunschweig), Braunschweiger Stadtlexikon, Braunschweig 1992, S. 74.
- Verweist aufThomas Dexel, 30 Jahre Formsammlung der Stadt Braunschweig, Braunschweig 1972.
- Verweist aufThomas Dexel: 50 Jahre Formsammlung des Städtischen Museums Braunschweig. Anmerkungen zu ihrer Geschichte und Theorie, Sonderdruck aus: Mitteilungsblatt Museumsverband für Niedersachsen und Bremen, 44/1993, S. 35-40.
- Verweist aufThomas Dexel: Formen und ihre Geschichte. Ein Museum für Gebrauchsgerät in Braunschweig, in: Kunst & Antiquitäten. Zeitschrift für Kunstfreunde, Sammler und Museen, Heft II/84, März/April 1984, S. 54-60.
- Verweist aufThomas Dexel: Walter Dexel als Formsammler und Formforscher, in: Walter Vitt (Hrsg.): Hommage à Dexel (1890-1973). Beiträge zum 90. Geburtstag des Künstlers, Starnberg 1980, S. 133-136.
- Verweist aufThomas Garke-Rothbart: „… für unseren Betrieb lebensnotwendig …“ Georg Holtzbrinck als Verlagsunternehmer im Dritten Reich, München 2008.
- Verweist aufVolker Koop: Himmlers Germanenwahn. Die SS-Organisation Ahnenerbe und ihre Verbrechen, Berlin 2012.
- Verweist aufWalter Dexel, Ziele und Aufgaben der „Braunschweiger Formsammlung“, in: Braunschweiger Kunstspiegel. Mitteilungsblatt des Kunstvereins Braunschweig e. V., Juli 1943, S. 25-27.
- Verweist aufWalter Dexel: Das Hausgerät Mitteleuropas. Wesen und Wandel der Formen in zwei Jahrtausenden. Deutschland, Holland, Österreich, Schweiz, 2. Aufl., Braunschweig/Berlin 1973.
- Verweist aufWalter Dexel: Deutsches Handwerksgut. Eine Kultur- und Formgeschichte des Hausgeräts, Berlin 1939.
- Verweist aufWalter Dexel: Gebrauchsgegenstände aus drei Jahrhunderten, in: Die Form. Zeitschrift für gestaltende Arbeit, 8. Jg. Heft 5, 1933, S. 129-141.
- Verweist aufWalter Dexel: Holzgerät und Holzform. Über die Bedeutung der Holzformen für die deutsche Gerätkultur des Mittelalters und der Neuzeit. Erste Veröffentlichung des Braunschweiger Instituts für handwerkliche und industrielle Formgebung, Berlin-Dahlem 1943
- Verweist aufWalter Dexel: Lebenslauf und Bildungsgang, eingereicht am 30.11.1941 bei der Stadt Braunschweig im Zusammenhang mit der 1942 erfolgten Gründung der „Formsammlung“, in: Walter Vitt (Hrsg.): Hommage à Dexel (1890-1973). Beiträge zum 90. Geburtstag des
- Verweist aufWalter Dexel: Lebenslauf, eingereicht 1928 zur Erlangung einer Dozentur an der Magdeburger Kunstgewerbe- und Handwerkerschule, in: Walter Vitt (Hrsg.): Hommage à Dexel (1890-1973). Beiträge zum 90. Geburtstag des Künstlers, Starnberg 1980, S. 166.
- Verweist aufWalter Dexel: Unbekanntes Handwerksgut. Gebrauchsgerät in Metall, Glas und Ton aus acht Jahrhunderten deutscher Vergangenheit, 2. Aufl., Berlin 1942 (zuerst 1935).
- Verweist aufWalter Vitt: Hommage à Dexel (Einleitung), in: Walter Vitt (Hrsg.): Hommage à Dexel (1890-1973). Beiträge zum 90. Geburtstag des Künstlers, Starnberg 1980, S. 7-14.