NS-Raubgut in der Bibliothek des IGdJ
Beschreibung
Das Institut für die Geschichte der deutschen Juden führte im Rahmen des Projekts “NS-Raubgut in der Bibliothek des IGdJ” umfangreiche Recherchen nach NS-Raubgut in seinen Buchbeständen durch. Das Projekt wurde im Zeitraum vom 1. September 2013 bis zum 31. August 2016 von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien durch die Stiftung Deutsches Zentrum Kulturgutverluste (bis 31.12.2014 Arbeitsstelle für Provenienzforschung) aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.
Die Untersuchung des IGdJ fügt sich in die Reihe von Forschungsvorhaben, die in der Folge der “Washingtoner Konferenz über Vermögenswerte aus der Zeit des Holocaust” (1998) und der ein Jahr später verabschiedeten “Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz” in diversen deutschen Bibliotheken, Museen, Archiven und anderen kulturellen Einrichtungen durchgeführt werden. Der systematischen Suche nach NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut folgt die Dokumentation und Bekanntgabe der Ergebnisse mit dem Ziel der Restitution an die Vorbesitzer oder deren Erben.
In der Bibliothek des IGdJ befinden sich rund 70.000 Bände. Für alle Bücher, die vor 1945 publiziert wurden, konnte vor Projektbeginn eine Provenienz aus NS-Raub- bzw. NS-Beutegutbeständen grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden. Da die Institutsbibliothek als jüdische Sammlung konzipiert und aufgebaut wurde, verstärkte sich diese Vermutung.
In der ersten Projektphase wurde der 8.325 Bücher und Zeitschriften umfassende Altbestand durchgesehen. Von diesen Büchern und Zeitschriften trugen 941 Provenienzhinweise, die auf NS-Raubgut hinwiesen oder hinweisen konnten. Die Ergebnisse der Durchsicht wurden fotografisch dokumentiert und in Excellisten festgehalten. Projektziel war es anschließend, Hinweise auf NS-Raub- bzw. Beutegut zu verifizieren und zu erforschen: Unter den 941 Hinweisen befanden sich 185 Bücher, bei denen es sich um NS-Raubgut handelt bzw. die stark verdächtig sind.
Ende April 2015 wurden der Jüdischen Gemeinde Dresden in einer Feierstunde vier Bücher zurückgegeben. Ende Mai 2016 erhielt die Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern 13 Bücher aus der historischen Cossmann-Werner-Bibliotehk zurück. Bei 303 Büchern konnte der NS-Raubgutverdacht entkräftet werden oder die Hinweise waren zu unspezifisch. Bei 389 weiteren Büchern kann NS-Raubgut nicht ausgeschlossen, allerdings waren die Provenienzmerkmale nicht so aussagekräftig, dass eine direkte Zuordnung möglich war. In den meisten Fällen handelt es sich hierbei um Hinweise, die einen Vor- und Nachnamen umfassen. Durch die Digitalisierung dieser Ergebnisse erhoffen wir uns noch klarere Ergebnisse. Außerdem wurden auf Empfehlung der Stiftung Deutsches Zentrum Kulturgutverluste 65 Bücher als „rechtmäßiges NS-Raubgut“ bestimmt, bei dem eine Rückgabe an die ursprünglichen Besitzer oder Nachfolgeinstitutionen aber nicht ausgeschlossen wird. Es handelt sich hierbei um Bände, die nach dem Zweiten Weltkrieg als „herrenloses Gut“ klassifiziert und nach Israel oder an jüdische Institutionen weltweit abgegeben wurden. Später kehrten diese Bücher meistens als Dubletten über Antiquariate nach Deutschland zurück.
NS-Raubgut in der Bibliothek des IGdJ – das Beispiel Dr. Joseph Norden
Joseph Norden wurde am 17. Juni 1860 in Hamburg geboren. Seine Kindheit und Schulzeit verbrachte er zunächst in Hamburg. Er ging zur Talmud Thora Schule und besuchte anschließend das Johanneum in Hamburg. Nach dem Abschluss schrieb er sich in Berlin zum Studium ein. Er studierte dort Philosophie und am orthodoxen Rabbinerseminar. Nach seinem Studium promovierte er 1895 in Halle, 1896 folgte das Rabbinatsexamen am orthodoxen Rabbinerseminar in Berlin. Dr. Norden galt als einer der führenden Fürsprecher des liberalen Judentums in Deutschland. Seine Einstellung machte es ihm anfangs schwer, da er zunächst seit 1897 in Neustettin und seit 1899 in Myslowitz in einer überwiegend orthodoxen Gemeinde als Rabbiner tätig war. 1907 wurde er Rabbiner in Elberfeld, wo er seine liberalen Ansichten bis zu seiner Pensionierung 1935 deutlicher entfalten konnte.
Nach seiner Pensionierung im Jahr 1935 zog er in seine alte Heimatstadt Hamburg zurück. Den Ruhestand nutzte er, um sich in Hamburg im israelitischen Tempelverband zu engagieren. 1939 übernahm er die Nachfolge des emigrierten Rabbiners Bruno Italiener. Dr. Norden weigerte sich auszuwandern, obwohl er sogar mehrere Angebote bekam. Er wollte seine Gemeinde, mit der er in guten Zeiten zusammengelebt hatte, in schlechten Zeiten nicht verlassen. Am 15. Juli 1942 wurde Joseph Norden von Hamburg nach Theresienstadt deportiert, wo er nach einem knappen halben Jahr am 7. Februar 1943 verstarb.
1938 hatte Dr. Norden seinen Besitzvermerk in dem Buch „Die soziale Fürsorge im Alten Testament“ von Norbert Peters hinterlassen, das 1936 erschienen ist. Die Bibliothek des Rabbiners wurde nach seiner Deportation von der Hamburger Gestapo beschlagnahmt und zumindest in Teilen der Hamburger Staats- und Universitätsbibliothek (SUB) „überwiesen“. 1975 gehörte Dr. Nordens Buch zu den rund 1.000 Exemplaren, die das Institut als Geschenk erhalten hat. Dank der Hilfe der SUB soll zügig Kontakt zu den in den USA, Deutschland und Israel lebenden Enkeln aufgenommen werden.
(c) Institut für die Geschichte der deutschen Juden
Grunddaten
Forschungsbericht und Materialien
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Inhaltliche Bezüge
Personen/Körperschaften
- Verweist aufRawicz, Erwin
- Verweist aufArmhaus, Victor
- Verweist aufNathan, Max Martin
- Verweist aufNathan, Nathan Max
- Verweist aufNeumann, Hans Werner
- Verweist aufPappenheim, Norbert
- Verweist auf
- Verweist aufPrenzlau, Werner Siegfried
- Verweist aufEpstein, Felix
- Verweist aufHoffmann, Konrad
- Verweist aufGraupe, Heinz Moshe
- Verweist auf
- Verweist auf
- Verweist auf
- Verweist auf
- Verweist auf
- Verweist aufGeheime Staatspolizei. Staatspolizeileitstelle Hamburg
- Verweist aufFirma Wilhelm Wehling
- Verweist aufBibliothek und öffentliche Lesehalle „Esra"
Sammlungen
- Verweist auf
Provenienzmerkmale
- Verweist auf
- Verweist auf
- Verweist auf
- Verweist auf
Archivalien
Literatur & digitale Angebote
- Verweist auf
- Verweist auf
- Verweist auf
- Verweist aufJacqueline Borin: "Embers of the Soul, The Destruction of Jewish Books and Libraries in Poland during World War II"; in: Libraries & Culture Vol. 28, No. 4 (1993), S. 445-460.
- Verweist auf
- Verweist auf
- Verweist auf
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- Verweist auf
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- Verweist auf
- Verweist aufHachmeister, Annamaria: Gestohlene und unrechtmäßig verbrachte Kulturgüter im Kaufrecht. Nationales, internationales und Einheitskaufrecht (=Schriften zum Kunstund Kulturrecht, Bd. 11), Baden-Baden 2012.
- Verweist aufHadda, Siegmund: Als Arzt am Jüdischen Krankenhaus zu Breslau 1906-1943. In: Jahrbuch der Schlesischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Breslau, Band 17. Berlin 1972. S. 198-238.
- Verweist aufHauschke-Wicklaus, Gabriele (Hrsg.): Fast vergessen. Das amerikanische Bücherdepot in Offenbach am Main von 1945 bis 1949. Herausgegeben von der Geschichtswerkstatt. Offenbach 2011.
- Verweist aufHeinsohn, Kerstin: Felix Epstein (1882-1982). Ein Hamburger Bürger. In: Joist Grolle und Matthias Schmook (Hrsg.): »Spätes Gedenken«. Ein Geschichtsverein erinnert sich seiner ausgeschlossenen jüdischen Mitglieder. Hamburg 2009 (Hamburgische Lebensbilder
- Verweist aufHenke, Matthias, Dietzfelbinger (Hrsg.): Entrechtet. Entwürdigt. Beraubt. Die Arisierung in Nürnberg und Fürth. Begleitbuch zur Ausstellung im Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände Nürnberg (17. November 2012 bis 31. Juli 2013), Petersberg
- Verweist aufJankowski, Alice: Die Jüdische Bibliothek und Lesehalle in Hamburg. Eine Gebrauchsbibliothek als Spiegelbild jüdischen Lebens, Kultur und Geschichte der Hansestadt. Hamburg 2003. (unveröffentlichte Magisterarbeit).
- Verweist aufJunginger, Horst: Die Verwissenschaftlichung der „Judenfrage“ im Nationalsozialismus, Darmstadt 2011.
- Verweist aufKirchhoff, Markus: Häuser des Buches. Bilder jüdischer Bibliotheken. Leipzig 2002.
- Verweist aufKramar, Konrad: Mission Michelangelo. Wie die Bergleute von Altaussee Hitlers Raubkunst vor der Vernichtung retteten, Wien 2013.
- Verweist aufKrawehl, Otto-Ernst: Verlagert – verschollen – zum Teil restituiert. Das Schicksal der im 2. Weltkrieg ausgelagerten Bestände der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg. In: Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte Band 83/2 1997. S. 237
- Verweist aufKreuzer, Jörn: Bücher und ihre Geschichten. In: IGdJ (Hrsg.): 50 Jahre, 50 Quellen. Festschrift zum Jubiläum des Instituts für die Geschichte der deutschen Juden. Hamburg 2016. S. 98f
- Verweist aufKreuzer, Jörn: NS-Raubgut aus zweiter Hand. Das Schicksal geraubter Jüdischer Gemeindebibliotheken am Beispiel der Israelitischen Religionsgemeinde zu Dresden., in: MEDAON – Magazin für jüdisches Leben in Forschung und Bildung, 8 (2014), 15, S. 1–5;
- Verweist aufKreuzer, Jörn; Küther, Susanne Küther: NS-Raubgut aus zweiter Hand - Provenienzrecherchen in der Bibliothek des IGdJ. In: Brintzinger, Klaus-Rainer (Hrsg.): Bibliotheken. Wir öffnen Welten. 103. Deutscher Bibliothekartag Bremen 2014. Münster 2015. S.238
- Verweist aufKühn-Ludewig, Maria: Johannes Pohl (1904-1960). Judaist und Bibliothekar im Dienste Rosenbergs. Eine biographische Dokumentation. Hannover 2000.
- Verweist auf
- Verweist aufMensching, Steffen: Jacobs Leiter, Berlin 2003
- Verweist aufPiskarski, Jan M.: Die Reichsuniversität Posen 1941-1945. In Hartmut Lehmann, Otto Gerhard Oexle (Hrsg.): Nationalsozialismus in den Kulturwissenschaften. Band 1. Fächer – Milieus –Karrieren. Göttingen 2004. S. 241-273.
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- Verweist aufReifenberg, Bernd (Hrsg.): Die Suche nach NS-Raubgut in Bibliotheken. Recherchestand, Probleme, Lösungswege. Marburg 2006.
- Verweist auf
- Verweist aufRenner, Gerhard, Schmidt-Dengler, Wendelin, Gastgeber, Christian (Hrsg.): Buch und Provenienzforschung. Festschrift für Murray G. Hall zum 60. Geburtstag, Wien 2009.
- Verweist aufRöhling, Kerstin: Restitution jüdischer Kulturgüter nach dem Zweiten Weltkrieg. Eine völkerrechtliche Studie, Baden-Baden 2004.
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- Verweist aufRudolph, Jörg: „Sämtliche Sendungen sind zu richten an:…“ Das RSHA-Amt VII „Weltanschauliche Forschung und Auswertung“ als Sammelstelle erbeuteter Archive und Bibliotheken. In: Michael Wildt (Hrsg.): Nachrichtendienst, politische Elite, Mordeinheit. Der
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- Verweist aufThe American Federation of Jews from Central Europe, Inc.: Former Jewish Communal Property in Germany. 1947.
- Verweist aufThe Return of Looted Collections (1946-1996). An Unfinished Chapter. Proceedings of an Interantional Symposium to Mark the 50th Anniversary of the Return of Dutch Book Collections from Germany in 1946. Amsterdam 1997.
- Verweist aufWittmann, Reinhard: Geschichte des deutschen Buchhandels. München 1999.