Provenienzen, Erwerbungskontexte, Erbenermittlung – Recherchen zu Verdachtsfällen NS-verfolgungsbedingt entzogener Kulturgüter in den Beständen der Klassik Stiftung Weimar
Beschreibung
Ausgangsfragen und Zielsetzungen des Projektes
Die zentralen Anliegen des Forschungsprojektes waren systematische Recherchen zur detaillierten Tiefenerschließung von Objekten, die Vorgängerinstitutionen der Klassik Stiftung Weimar (KSW) in den Jahren 1933–1939 für ihre Sammlungen erworben haben und für die bereits ein Anfangsverdacht auf einen NS-verfolgungsbedingten Entzug ermittelt worden war. Ziel war die möglichst umfassende Rekonstruktion der Erwerbungskontexte. Dafür waren neben den Zugangswegen und sonstigen Provenienzen insbesondere die Biografien NS-verfolgter Vorbesitzer sowie die Verlustumstände zu recherchieren und zu dokumentieren, um auf dieser Basis Restitutionsvoraussetzungen zu klären und am Nachlass der Verfolgten berechtigte Erben zu ermitteln.
Projekt in Zahlen
Überprüfte Objekte insgesamt 5.486 = 100%
· Die für den Zeitraum 1933–1945 ermittelten Provenienzen sind unbedenklich. Ein NS-verfolgungsbedingter Hintergrund kann ausgeschlossen werden, eine weitere Überprüfung ist nicht notwendig. 2.337 ≈ 42,6 %
· Die Objekte sind nicht mehr in den Beständen vorhanden bzw. nicht identifizierbar. 1.449 ≈ 26,4 %
· Die Provenienz ist für den Zeitraum 1933–1945 nicht ausreichend geklärt. Es gibt (zum gegenwärtigen Stand) keine Ansatzpunkte für weitere Recherchen, die eine Klärung ermöglichen würden. 971 ≈ 17,7 %
· Die Provenienz ist für den Zeitraum 1933–1945 nicht ausreichend geklärt. Es gibt Ansatzpunkte für weitere Recherchen, die eine Klärung ermöglichen können. 492 ≈ 8,9 %
· Die Provenienz ist für den Zeitraum 1933–1945 bedenklich, da Hinweise auf einen NS-verfolgungsbedingten Entzug vorliegen. Die Herkunft muss dringend weiter erforscht werden. 101 ≈ 1,8 %
· Die Provenienz ist für den Zeitraum 1933–1945 eindeutig belastet. 136 ≈ 2,5 %
Relevante historische Personen und Institutionen
Es wurden Recherchen unterschiedlichen Umfangs zu ca. 700 (handelnden bzw. auch nur als Provenienzen zu bestimmenden) historischen Personen und Institutionen vorgenommen, die in ihrer Relevanz für das Projekt stark differieren. Eine im »Merkblatt für die Erstellung von Zwischen- und Abschlussberichten« des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste geforderte vollständige Auflistung würde den ebenfalls dort vorgegebenen quantitativen Rahmen erheblich überschreiten und erscheint zudem qualitativ nicht ausreichend begründet. Daher folgt hier eine nach Relevanz bestimmte (alphabetisch geordnete) Auswahl.
Vorgängerinstitutionen der KSW:
· Goethe-Nationalmuseum, Weimar (GNM)
· Goethe- und Schiller-Archiv, Weimar (GSA)
· Staatliche Kunstsammlungen zu Weimar
· Thüringische Landesbibliothek, Weimar (ThLB)
Leitendes Personal der Vorgängerinstitutionen der KSW:
· Werner Deetjen (1877–1939)
· Walther Scheidig (1902–1977)
· Hans Wahl (1885–1949)
Gewerbliche Lieferanten:
· C. G. Boerner, Leipzig
· Martin Breslauer, Berlin
· Gustav Fock, Leipzig
· Gilhofer & Ranschburg, Wien
· Paul Graupe, Berlin
· Hauswedell & Co., Hamburg
· Karl Ernst Henrici, Berlin
· Karl von Hohenlocher, Berlin
· Hollstein & Puppel, Berlin
· Leo Liepmannssohn, Berlin
· Galerie Matthiesen, Berlin
· Meyer & Ernst, Berlin
· Friedrich Otto, Mannheim
· Heinrich Rosenberg, Berlin
· Ludwig Rosenthal, München
· J. A. Stargardt, Berlin
· Agnes Straub, Berlin
· Ludwig Thelemann, Weimar
NS-Verfolgte, aus deren Besitz nach dem 30.01.1933 Objekte erworben wurden, die nach den Kriterien der »Handreichung« zur »Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes« als NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut bewertet wurden (Recherchen/Bewertung abgeschlossen):
· Jenny Fleischer, geb. Alt (1863–1942), Weimar
· Emma Frankenbacher, geb. Hirschmann (1875 – 1942), Nürnberg
· Heinrich Mayer (1866–1942), Hamburg
· Leon Nathansohn (1874–1944), Dresden (betrifft nur einen Teil der Erwerbungen)
· Ernst Polaczek (1870–1939), Freiburg i. Br.
· Heinrich Schwarz (1894–1974), Wien
· Eberhard Specht (1915–2015), Dolgenbrodt
· Susanne Türck (1905–1976), Weimar
· Julius Wahle (1861–1940), Weimar
NS-Verfolgte, aus deren Besitz nach dem 30.01.1933 Objekte erworben wurden, die nach den Kriterien der »Handreichung« zur »Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes« nicht als NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut bewertet wurden (Recherchen/Bewertung abgeschlossen):
· Harry Graf Kessler (1868–1937), Weimar
· Maria Flörsheim-Koch (1895–1955) und Rudolf Flörsheim (1893–1962), Egelsbach
· Leon Nathansohn (1874–1944), Dresden (betrifft nur einen Teil der Erwerbungen)
· Otto Michaelis (1875–1949), Weimar
· Dorothea (Dora) Regenbogen, geb. Schöll (1880–1967), Heidelberg
· Margarete Weisstein, geb. Baswitz (1874–1942), Berlin
· Transparenz
Publikationen
· Haufe, Rüdiger, Heike Krokowski u. Peter Prölß: Museen, Archiv und Bibliothek. Provenienzforschung in der Klassik Stiftung Weimar. In: Bibliotheksdienst, Jg. 48 (2014), H. 8/9, S. 682–692.
· Haufe, Rüdiger: Die verschenkte Venus. Zum Verlust eines Cranach-Gemäldes im Nationalsozialismus. In: Bild und Bekenntnis. Die Cranach-Werkstatt in Weimar. Göttingen 2015, S. 315–330.
· Bomski, Franziska, Rüdiger Haufe und W. Daniel Wilson (Hg.): Hans Wahl im Kontext. Weimarer Kultureliten im Nationalsozialismus. Leeds 2015.
· Prölß, Peter u. Jürgen Weber: Fördern und Fordern. Staatliche Förderung und bürgerschaftliches Engagement für die Provenienzrecherche und Restitution von geraubten Büchern. Arbeitsschritte in der Provenienzforschung. In: Supralibros, Heft 17, 2015, S. 5–7.
· Haufe, Rüdiger: Der Verfolgung schutzlos ausgeliefert. Else von den Velden und Esther Abel. In: Stolperstein-Geschichten in Weimar. Weimar 2016, S. 114–116.
· Provenienzforschung in Weimar (Arbeitstitel). Jahrbuch der Klassik Stiftung Weimar 2018.
· (Das in Vorbereitung befindliche Jahrbuch wird die Ergebnisse der Provenienzrecherchen an der KSW im Überblick sowie anhand von Fallstudien in den Fokus nehmen und darüber hinaus sowohl übergreifende Fragestellungen der Forschung zu NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgütern als auch Aspekte des Kulturgutentzugs nach 1945 in der SBZ/DDR behandeln.)
Ausstellungen
Die Provenienzforschung ist Gegenstand der Vermittlungsarbeit an der KSW. So wurde u. a. 2015 die »Mobile Vitrine NS-Raubgut« entwickelt. Diese Ausstellungseinheit wechselt ihren Standort alle drei Monate und wird in den Foyers der zentralen Einrichtungen präsentiert, die kostenfrei zugänglich sind und ein hohes Besucheraufkommen haben: im GNM, im Studienzentrum der HAAB, im GSA sowie im Schlossmuseum. Die nach aktuellen ausstellungsdidaktischen Maßgaben gestaltete Vitrine zeigt pro Standort ein Objekt, das aus dem jeweiligen Bestand stammt und als NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut identifiziert wurde. Dazu werden Einblicke in konkrete Rechercheprozesse, zu den Erwerbungskontexten und den Biografien der im Nationalsozialismus verfolgten Vorbesitzer gegeben.
Sonstige Maßnahmen zum wissenschaftlichen Austausch, zur Vermittlung und zur Qualitätssicherung
Die Projektmitarbeiter haben, teils durch eigene Beiträge, teils in beratender Funktion an Tagungen, Vortragsreihen, Publikationen und Ausstellungen zur Provenienzforschung zu NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgütern und eng verwandten Themen mitgewirkt. Dem wissenschaftlichen Austausch und der Vernetzung in der Forschungslandschaft diente nicht zuletzt das Engagement der Projektmitarbeiter im Arbeitskreis für Provenienzforschung, dessen Frühjahrstagung 2015 die KSW als gastgebende Institution ausgerichtet hat.
Der zielgruppenspezifischen Vermittlung von Relevanz und Methoden der Provenienzforschung zu NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgütern dienten auch verschiedene Bildungs- und Fortbildungsformate. Gemeinsam mit der das Projekt begleitenden direktionenübergreifenden AG NS-Raubgut in der KSW wurde ein Modul zur Verankerung der Provenienzforschung in der Volontariatsausbildung entwickelt, das 2015 und 2016 stattfand und über den Projektzeitraum hinaus zukünftig im zweijährigen Turnus thüringenweit für Volontäre aus Museen, Gedenkstätten, Bibliotheken und Archiven angeboten wird. Im Rahmen des Bildungsprogramms der KSW führten die Projektmitarbeiter mit Schülern und Studierenden Seminare zur Provenienzforschung durch und betreuten wiederholt studentische Praktika in ihrem Arbeitsumfeld.
Der 2014 einberufene, jährlich tagende Fachbeirat, der die Provenienzrecherche zu NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgütern an der KSW evaluiert und wissenschaftlich berät, trägt maßgeblich zur fortgesetzten Professionalisierung und nachhaltigen Qualitätssicherung der Provenienzforschung zu NS-verfolgungsbedingten Kulturgütern als langfristigem Arbeitsfeld der KSW bei.
Presseartikel, Radio und TV-Beiträge (in Auswahl)
· Klassik Stiftung verstärkt Suche nach Raubkunst. TV-Beitrag: MDR, Thüringen Journal, 18.10.2013.
· Bernhard, Henry und Jürgen König: Suche Raubgut. Die Klassik-Stiftung macht reinen Tisch. Radio-Beitrag: Deutschlandradio Kultur, 28.01.2014.
· Bernhard, Henry: Detektive im Tiefenmagazin. Zu Besuch bei den Provenienzforschern der Stiftung Weimarer Klassik. In: Jüdische Allgemeine, 13.02.2014.
· Helbing, Michael: Klassik-Stiftung diskutiert weitere Fälle von NS-Raubkunst. In: Thüringer Allgemeine, 03.03.2015.
· Helbing, Michael: Wie Weimar nach der Raubkunst forscht. In: Thüringer Allgemeine, 22.04.2015.
· Stiftung präsentiert NS-Raubkunst. In: Thüringer Allgemeine, 21.11.2015.
· Klassik Stiftung zeigt von Nazis geraubte Kunstwerke. In: Die Welt online, 24.11.2015.
· Eger, Christian: Leihverkehr mit Buchenwald. Mehr als 12.000 Bücher in Weimars Anna Amalia Bibliothek stehen unter Raubverdacht. In: Frankfurter Rundschau, 08.08.2016.
· Helbing, Michael: Auf der Suche nach Raubgut. Klassik Stiftung Weimar durchforstet seit Jahren Erwerbungen aus der Nazi-Zeit. In: Thüringische Landeszeitung, 14.03.2017.
Blog der Klassik Stiftung Weimar
Begleitende Beiträge zur Provenienzforschung (insbesondere zur »Mobilen Vitrine«):
· Glossar Provenienzforschung, 20.04.2015
· Die Biografie hinter dem Objekt: Auf der Suche nach NS-Raubgut, 20.04.2015
· Der Fall Josefine Lechner, 16.11.2015
· Der Fall Arthur Goldschmidt, 12.02.2016
· Der Fall Michael Berolzheimer, 02.05.2016
· Der Fall Dosquet, 12.08.2016
· Der Fall Susanne Türck, 25.10.2016
· Der Fall Jenny Fleischer, 02.05.2017
· Homepage der Klassik Stiftung Weimar
(c) Klassik Stiftung Weimar
Grunddaten
Forschungsbericht und Materialien
Für den Zugang zu den Forschungsberichten ist ein sogenannter erweiterter Zugang notwendig. Dieser kann beim Zentrum beantragt werden und setzt ein „berechtigtes Interesse“ voraus. Nähere Informationen hierzu erhalten Sie in der Ausführlichen Anleitung. Sollten Sie bereits über ein Nutzerkonto mit erweitertem Zugang verfügen, loggen Sie sich bitte ein.
Zugehörige Ausstellungen und Publikationen
Inhaltliche Bezüge
Personen/Körperschaften
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