Provenienzrecherche zu den altdeutschen Bildern der Sammlung Schäfer in den Kunstsammlungen der Veste Coburg
Beschreibung
Im Jahr 2003 erwarb die Coburger Landesstiftung für die Kunstsammlungen der Veste Coburg die Sammlung altdeutscher Bilder aus der Sammlung des Schweinfurter Industriellen Georg Schäfer. 2014 initiierten die Kunstsammlungen der Veste Coburg in Abstimmung mit der Arbeitsstelle für Provenienzforschung (Stiftung Deutsches Zentrum für Kulturgutverluste) ein einjähriges Projekt zur eingehenderen Erforschung der Provenienzen dieser Werke. Das Projekt sollte insbesondere die Frage beantworten, ob diese Bilder ihren ehemaligen Eigentümern in den Jahren von 1933 bis 1945 durch die Nationalsozialisten unrechtmäßig entzogen worden waren.
Hierbei handelt es sich um Werke von Augsburger und Nürnberger Meistern wie Dürer und Cranach und deren Umkreis sowie um Bilder der Münchner, schwäbischen, sächsischen und böhmischen Tafelmalerei um 1500. Das Projekt wurde gefördert von der Beauftragen der Bundesregierung für Kultur und Medien durch die Stiftung Preußischer Kulturbesitz aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages, von der Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern, der Oberfrankenstiftung und von der Stiftung Deutsches Zentrum Kulturgutverluste, Magdeburg.
Nach seiner Erstpräsentation im Rathaus der Stadt Schweinfurt im Jahre 1985 gelangte der Bestand der „Altdeutschen Bilder der Sammlung Georg Schäfer“ 1986 zunächst als Leihgabe an die Kunstsammlungen der Veste Coburg (1). Im Jahre 2002 entschieden die Erben des Sammlers Georg Schäfer, diesen Bestand zu verkaufen und räumten der Coburger Landesstiftung, dem Träger des Museums ein Vorkaufsrecht ein. Ihr gelang es in der Folge, im Zusammenwirken mit der Stadt Coburg, der Kulturstiftung der Länder, der Bundesrepublik Deutschland, der Bayerischen Landesstiftung, der Niederfüllbacher Stiftung und der Bayerischen Sparkassenstiftung, die von den Erben angesetzte Kaufsumme aufzubringen und so konnte der Kaufvertrag über den Ankauf dieses Bestandes am 12. Februar 2003 unterzeichnet werden. Sechs Gemälde hatte die Familie Schäfer dem Coburger Museum als Geschenk überlassen (2).
Durch die im Herbst 1985 im Schweinfurter Rathaus gezeigte Ausstellung „Altdeutsche Bilder der Sammlung Georg Schäfer“ wurde einer breiteren Öffentlichkeit erstmals bekannt, dass sich der Schweinfurter Industrielle Georg Schäfer (1896–1975) seit 1950 als Kunstsammler nicht ausschließlich der Malerei des 19. Jahrhunderts zugewandt hatte, sondern auch der altdeutschen Tafelmalerei. Im Vergleich zu den nach 1945 in Deutschland aufgebauten Kunstsammlungen war dieser Sammlungsschwerpunkt fast beispiellos, somit gehört die Altmeister-Sammlung Schäfer wohl zu den letzten ihres Rangs (3).
Den eigentlichen Schwerpunkt der Sammlung Schäfer bildete jedoch von Beginn an die Kunst der Romantik und des Biedermeier, mit der Georg Schäfer schon als Kind in seinem Elternhaus in Berührung gekommen war. Nach dem Tod seines Vaters hatte Georg Schäfer einige Bilder dieser Sammlung geerbt. Um diesen Kernbestand herum baute Georg Schäfer ab 1950 eine eigene Kunstsammlung auf. Dabei konzentrierte er sich vor allem auf die Malerei der Romantik und des Biedermeier. Da sich viele deutsche Sammler nach 1945 auf den Ankauf der während des Nationalsozialismus als „entartet“ diffamierten, modernen Malerei konzentrierten, war das Angebot an Bildern der Romantik und des Biedermeier umfassend und erlaubte, eine in ihrem Ausmaß herausragende Kollektion aufzubauen. In etwas mehr als zwei Jahrzehnten trug Georg Schäfer eine Sammlung von etwa 6.000 Gemälden, 4.500 Aquarellen und Zeichnungen zusammen die er im Schloss Obbach bei Schweinfurt, dem Sitz der Familie Schäfer aufbewahrte.
Beratend standen dem Schweinfurter Sammler im Zuge des Aufbaues der Altmeistersammlung seit 1954 der seit 1933 als Direktor der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen eingesetzte Experte für spätgotische Malerei, Ernst Buchner (1892–1962) sowie die Kunsthistoriker Friedrich Winkler (1888–1965) und Alfred Stange (1894–1968) zur Seite. Vor allem Ernst Buchner hatte sich während der Herrschaft der Nationalsozialisten in deren Dienst gestellt und sich nachweislich aktiv an der „Arisierung“ von jüdischen Kunsthandlungen, insbesondere aber an der Enteignung jüdischen Kunstbesitzes, vor allem in München beteiligt (4). Nach 1945 wurde er aus diesem Grund von den Alliierten von seinem Posten als Generaldirektor freigestellt, von 1953 bis zu seiner Pensionierung 1957 allerdings wieder eingestellt. Etwa zwei Drittel der von Georg Schäfer seit 1954 angekauften Gemälde altdeutscher Meister gelangten auf Zuraten Buchners in die Sammlung Schäfer.
Zusammen mit dem Münchner Auktionator Rudolf Neumeister, der im April 1958 das Münchner Auktionshaus Weinmüller übernommen hatte, und ebenso wie Buchner aktiv am Aufbau der Altmeistersammlung Schäfer beteiligt war, reiste Buchner in den 1950er Jahren häufig nach Schloss Obbach, dem Landgut der Familie Schäfer. Die ersten Ankäufe altdeutscher Bilder durch Georg Schäfer erfolgten 1954. Um 1970 befanden sich etwa 600 Altmeister-Gemälde in der Sammlung. Nach dem Tod Georg Schäfers im Jahre 1975 wurde dieser Bestand reduziert, um das Sammlungsprofil zu schärfen.
Während sich Ernst Buchner als Berater und Vermittler am Aufbau der Sammlung von Altmeistern beteiligte, waren es vor allem Münchner Kunsthändler wie Rudolf Neumeister, Alexander Gebhardt, Ludwig Wiesnet, Hagmann & Gräf und Xaver Scheidwimmer sowie ein bislang in der Provenienzforschung kaum bekannter, in den Niederlanden, der Schweiz und München agierender Kunstagent namens Jan Dik, von denen Georg Schäfer die Altmeistergemälde seit 1954 erwarb. Mit wenigen Ausnahmen handelte es sich hierbei um Kunsthändler, die sich noch vor 1945 aktiv an den von den Nationalsozialisten initiierten Kunstraubzügen von Kunstwerken aus ehemals jüdischem Eigentum beteiligt und hiervon profitiert haben.
Der Sohn des Sammlers, Hans Peter Schäfer, hat 1971 die Betreuung der Sammlung übernommen und in Absprache mit Georg Schäfer einen wissenschaftlichen Beirat einberufen zu dem der damalige Kurator am Germanischen Nationalmuseum, Wulf Schadendorf, der Romantikexperte Jens Christian Jensen und der Augsburger Museumsdirektor und Experte für altdeutsche Malerei, Bruno Bushart gehörten.
1997 wurde der Hauptbestand der Sammlung Schäfer, die Kunst des 19. Jahrhunderts in eine Stiftung eingebracht, die als Basis für das im Jahre 2000 eröffnete Georg Schäfer-Museum in Schweinfurt diente. Von den 41 überprüften Bildern erwiesen sich 11 Werke aufgrund der nachgewiesenen Provenienz als unproblematisch, 30 Objekte werden als problematisch eingestuft, weil sich Provenienzlücken nicht haben schließen lassen und aus den Händen von Kunsthändlern stammen, die auch mit Raubkunst gehandelt hatten.
Über das Projekt ist ein Aufsatz im Druck, der exemplarisch an einzelnen Objekten Vorgehen und Forschungsergebnisse darstellt.
(1) Ausst.-Kat. „Altdeutsche Bilder der Sammlung Georg Schäfer Schweinfurt“, Altes Rathaus der Stadt Schweinfurt 12. Oktober – 24. November 1985, bearbeitet von Isolde Lübbeke und Bruno Bushart, Schweinfurt 1985. Zu den Angaben der Übernahme dieses Bestandes siehe auch: Klaus Weschenfelder, Altdeutsche Bilder der Sammlung Schäfer, hrsg. von der Kulturstiftung der Länder und den Kunstsammlungen der Veste Coburg, Berlin und Coburg 2003.
(2) Weschenfelder 2003, S. 6 ff.
(3) Vergleichbar ist im Hinblick auf den Sammlungsschwerpunkt, nicht aber in der Qualität lediglich die Sammlung des Rheinländers Heinz Kisters.
(4) Siehe hierzu: Vanessa Voigt / Horst Keßler, Die Beschlagnahmung jüdischer Kunstsammlungen 1938/39 in München. Ein Forschungsprojekt der Staatlichen und Städtischen Museen in München zum Schicksal jüdischer Kunstsammler und Kunsthändler, in: Kunst sammeln, Kunst handeln. Beiträge des internationalen Symposiums in Wien, Schriftenreihe der Kommission für Provenienzforschung, Band 3, Wien 2012, S. 19–37.
(c) Kunstsammlungen der Veste Coburg
Grunddaten
Forschungsbericht und Materialien
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Inhaltliche Bezüge
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- Verweist aufErich Egg: Die Kunstsammlungen (Heiltumschatz – Gotische Tafelbilder – Barockgalerie), in: 850 Jahre Praemonstratenser Chorherrenstift Wilten, Innsbruck 1989.
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- Verweist aufOtto Kletzl, Werke deutscher Malerei in Böhmen und Mähren, in: Pantheon, Bd. 33, 1939
- Verweist aufPešina, Jaroslav, Alt-Deutsche Meister von Hans von Tübingen bis Dürer und Cranach. Prag 1962
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- Verweist aufPešina, Jaroslav, Kateřinský Cyklus Litomĕřikého Mistra, in: Umĕní XXIII, 1975, Heft 3
- Verweist aufPešina, Jaroslav, Tafelmalerei der Spätgotik und Renaissance in Böhmen, Prag 1958
- Verweist aufPeter Strieder, Lukas-Cranach-Ausstellung in Basel (Rezension), in: Kunstchronik, 28, 1975, H. 5
- Verweist aufRenate Hoidn, Studien zu Hans Mielich als Bildnismaler, Magisterarbeit. Freie Universität Berlin 1994 (Masch. Ms.)
- Verweist aufRobby Joachim Götze, Die Katharinentafel – ein Frühwerk des Meisters von Meßkirch, in: Schriftenreihe des „Museum und Kunstsammlung Schloß Hinterglauchau“, H. 8, Glauchau 1990
- Verweist aufRoberto Longhi: Una Modonna del Dürer a Bagnacavallo, in: Paragone 139, 1961
- Verweist auf
- Verweist aufTheodor von Frimmel, Studien und Skizzen zur Gemäldekunde, Bd. 1, Wien 1913
- Verweist aufTiroler Landesmuseum Ferdinandeum Innsbruck (Hrsg.), Erwerbungen 1955–1964, Nr. 6 (zugehörige Tafel mit den hll. Laurentius und Stephanus).
- Verweist aufWerner Schade, Cranach, A Family of Master Painters, 1980
- Verweist aufWerner Schade, Die Malerfamilie Cranach, 1974