Vertiefende Provenienzrecherche zu Bildwerken von Karl Hagemeister und Theodor Hosemann u.a. im Stadtmuseum Brandenburg/Havel – Museum im Frey-Haus
Beschreibung
Ausgangsfragen und Zielsetzungen des Projektes
1943 hat die Stadt Brandenburg Kunstwerke für ihre ab 1939 vorbereitete Städtische Bildersammlung im neu profilierten Heimatmuseum erworben. Dies wurde 2013 im Rahmen eines Erstcheck-Projekts bei der Überprüfung der Altbestände im Museum im Frey-Haus festgestellt.
Erste Recherchen führten bei 11 Werken von Karl Hagemeister (1848-1933) und Theodor Hosemann (1807-1875) zum Auktionshaus Hans W. Lange in Berlin, das bekannt dafür ist, mit Kunstobjekten aus ehemals jüdischem Besitz zu handeln. Die Stadt Brandenburg/Havel beantragte daraufhin eine vertiefende Untersuchung dieser Bilderankäufe und ihrer Umstände in einem neuen Projekt.
Die Aufgaben des Projektes bestanden darin,
- die Provenienz dieser 11 Kunstwerke zu eruieren und deren letzten Vorbesitzer festzustellen, der Verkäufer oder Einlieferer in eine Kunsthandelsinstitution war oder dessen Eigentum aus einer Beschlagnahmung heraus in den NS-Kunsthandel gelangte;
- nach weiteren Werken beider Künstler mit einer möglichen Herkunft aus dem NS-Kunsthandel und nach deren Vorbesitzern zu suchen;
den Altbestand auf weitere Ankäufe zu prüfen und ebenfalls möglichst die Vorbesitzer ausfindig zu machen, um die Recht- oder Unrechtmäßigkeit auch dieser Erwerbungen aus möglicherweise jüdischem Besitz festzustellen. Deshalb wurden über die genannten Künstler hinaus auch je ein Gemälde von Franz Skarbina (1849 – 1910), Eduard Grützner (1846 – 1925), F. A. Gerold (Daten unbekannt) sowie während der laufenden Arbeit eine Malereistudie von Brynolf Wennerberg d. J. (1866 – 1950), die sich ebenfalls als Neuankauf 1943 erwies, in die Untersuchung mit aufgenommen.
Projekt in Zahlen
Die Recherchen erbrachten zu den drei Objektgruppen folgendes:
zu acht Gemälden von Karl Hagemeister und fünf Verlusten:
- Fünf wurden 1943 durch die Stadt im NS-Kunsthandel gekauft, davon zwei vermutlich aus einer nicht bestimmbaren Institution des NS-Kunsthandels. Die Vorbesitzer ließen sich nicht ermitteln.
- Drei Bilder stammen aus dem Privatbesitz von Hagemeisters Großnichte Margarethe Schweitzer (1907 – 1983) bzw. seiner Haushälterin Martha Spinde. Es gab fünf Verluste zu verzeichnen: zwei im Krieg verschollene Gemälde, von denen eines 1941 von der Galerie Zinckgraf München gekauft wurde, und ein weiteres mit großer Wahrscheinlichkeit von einem Kunstverein. Ein Gemälde galt als Kriegsverlust, existiert aber heute in Privatbesitz. Zwei Nachkriegsverluste entstanden durch Veruntreuung.
zu 102 Werken Theodor Hosemanns sowie 36 Kriegsverlusten:
- 16 Werke werden wegen ihrer Herkunft aus dem NS-Kunsthandel als verdächtig eingestuft, die in Kürzeln angegebenen privaten Vorbesitzer konnten nicht identifiziert werden.
- 85 Werke im Museum sind unbekannter Herkunft.
- Unter den erfaßten 36 Kriegsverlusten befinden sich 15 nachweisbare Erwerbungen ebenfalls aus dem NS-Kunsthandel.
zu vier Gemälden von Franz Skarbina, Eduard Grützner, F. A. Gerold und Brynolf Wennerberg:
- Die – unverdächtige – Erwerbsquelle für die Arbeit von Wennerberg wurde gefunden.
- Der Kauf oder ein anderweitiger Erwerb der beiden kleinformatigen Gemälde von Skarbina und Grützner dagegen ließ sich nicht verorten.
- Einzig für das Gemälde des unbekannten Malers Gerold konnte ein jüdischer Vorbesitzer ausgemacht werden.
Auflistung der für das Projekt relevanten handelnden historischen Personen und Institutionen
PERSONEN
Sievers, Wilhelm, 1938 – 45 Oberbürgermeister von Brandenburg an der Havel
Posoreck, Wilhelm, Berlin, Bildhauer, seit 1928 Leiter der Kunstsammlung der Wredowschen Zeichenschule
Fraenger, Wilhelm, Kunsthistoriker, 1946 Stadtrat in Brandenburg an der Havel, Leiter des Amtes für Volksbildung unter Oberbürgermeister Fritz Lange
Krause, Paul, Studienrat, ehrenamtlicher Museumsleiter vor 1945, Volkssturmmann, entweder gefallen oder im Kriegsgefangenenlager verschollen
Neumann, Dr. Hans, Stadtarchivar vor und nach 1945; Mitglied der St. Johannisloge „Friedrich zur Tugend“
Krause, Gustav (*1875), Oberrealschullehrer a. D., Vorgeschichtler, Museumskundler, parteilos, Museumsleiter 1.1.1946 bis 14.11.1949, organisierte die Museumseröffnung im April 1947
Munzlinger, Karl, Oberrealschullehrer und Kunstmaler, Museumsleiter 15.11.1949 bis April 1954, verließ nach dem Gerichtsprozess gegen ihn vermutlich die DDR
INSTITUTIONEN / KUNSTHANDEL
Speditionsunternehmen Gustav Knauer, Berlin (Nr. 7999, Kunstabteilung)
Galerie del Vecchio, Ausstellung für Kunst aller Art und Zeit, Leipzig, Markgrafenstr. 1 – als Zwischenhändler vor 1933
Auktionshaus Rudolph Lepke, Berlin
Auktionshaus Hans W. Lange
Unsicher: Hugo Helbing, Frankfurt/M.
Auktions-Institut, Kunst- und Buchantiquariat C. G. Boerner, Universitätsstr. 26 I, Leipzig
Mensing & Fils (Frederik Muller &a Co.), Amsterdam, Nieuwe Doelen Straat 16; Auktionshaus, Eigentümer: Mensing – Zwischenhändler 1940
Galerie Dr. W. A. Luz, Berlin (1941), Berlin W 62, Kurfürstenstr. 127
Kunstantiquariat Reinhold Puppel, Berlin W 15, Fasanenstraße 65, ab 1944 in Quedlinburg
Rudolph Hönisch, Buchhandlung und Antiquariat, Leipzig C1, Hohestr. 18
Transparenz
Die Bearbeiterin hielt, zuweilen mit ihrer Kollegin Dr. Marlies Coburger, Vorträge vor Fach- als auch allgemein interessiertem Publikum:
2014
Jahrestagung des Museumsverbandes des Landes Brandenburg, Wandlitz 14.04.2014
Provenienzforschung - auch ein Thema für kleinere Museen, Tagung, Moses-Mendelssohn-Akademie Halberstadt/Behrend-Lehmann-Museum, Museumsverband Sachsen-Anhalt, Halberstadt 10.11.2014
Feature von Sigrid Hoff: "Provenienzforschung in Brandenburg" in der Reihe Zeitpunkte, Kulturradio des RBB, 08.11.2014
2015
Vortrag Provenienzrecherche - Zum Umgang der deutschen Museen mit NS-bedingt entzogenem Kulturgut, Freie Universität Berlin, Internationales Journalistenkolleg, 22.07.2015
Vortrag Erstcheck Provenienzrecherche. Projekte und Erfahrungen aus Brandenburg 2012 – 2014, Weimar, Frühjahrstreffen des AK Provenienzforschung
Artikel von Maurice Wojach: Die Kunstdetektive, Märkische Allgemeine Zeitung, 11./12.04.2015
2016
Vortrag im Bundeskanzleramt Österreich, Abteilung II/4, Denkmalschutz und Kunstrückgabeangelegenheiten, Kommission für Provenienzforschung beim Bundeskanzleramt, Wien 20.10.2016
2017
Die Bearbeiterin unterstützt das Museum im Frey-Haus bei der Vorbereitung einer Theodor-Hosemann-Ausstellung vom 29.09.2017 bis 28.01.2018. Sie hält die Eröffnungsrede sowie während der Ausstellung am 09.11.2017 einen öffentlichen Vortrag über die Hosemann-Sammlung des Museums im Frey-Haus und die Provenienz ausgewählter Werke.
(c) Stadtmuseum Brandenburg/Havel
Grunddaten
Forschungsbericht und Materialien
Für den Zugang zu den Forschungsberichten ist ein sogenannter erweiterter Zugang notwendig. Dieser kann beim Zentrum beantragt werden und setzt ein „berechtigtes Interesse“ voraus. Nähere Informationen hierzu erhalten Sie in der Ausführlichen Anleitung. Sollten Sie bereits über ein Nutzerkonto mit erweitertem Zugang verfügen, loggen Sie sich bitte ein.
Inhaltliche Bezüge
Personen/Körperschaften
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Ereignisse
Sammlungen
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Provenienzmerkmale
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Literatur & digitale Angebote
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- Verweist aufMax Liebermann. Die Kunstsammlung. Von Rembrandt bis Manet, hrsg.v. Bärbel Hedinger, Michael Diers, Jürgen Müller, München 2013, S. 268-269.
- Verweist aufMax-Liebermann-Gesellschaft Berlin, ed. Verlorene Schätze: Die Kunstsammlung von Max Liebermann. Exh. cat., Liebermann-Villa, Berlin, 24 November 2013–3 March 2014.
- Verweist aufVerleger, Buchhändler & Antiquare aus Deutschland und Österreich in der Emigration nach 1933. Ein biografisches Handbuch von Ernst Fischer. Elbingen 2011
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- Verweist aufJahrbuch der Bilder- und Kunstblätterpreise. Vols. 1–6, 1910–1915. Vienna: Franz Malota, 1911–1919.
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- Verweist aufNegendanck, Ruth: Die Galerie Ernst Arnold (1893 - 1951). Weimar 1998.