Provenienz Margraf & Co. (Galerie van Diemen, Altkunst, Dr. Otto Burchard)
Description
Das Silberwarenhaus Margraf & Co. ist 1912 von den Juwelieren Karl Margraf und Georg Strölau in Berlin gegründet worden. Zum Jahresende wurde die Firma an die Brüder Leo und Albert Loeske verkauft, die sie zu einem Kunsthandels-Konzern mit vielen Tochterfirmen im In-und Ausland ausbauten. Die zugehörige Galerie van Diemen, die mit Malerei handelte, die Altkunst Antiquitäten, in der Kunstgewerbe und Möbel angeboten wurden und Dr. Otto Burchard, der auf fernöstliche Kunst spezialisiert gewesen ist, zählten zu den ersten Adressen des Berliner Kunsthandels.
Seit 1924 ist Albert Loeske (*-1929) der alleinige Gesellschafter des Unternehmens gewesen. Ihm stand Jakob Oppenheimer (1879-1941) als Geschäftsführer zur Seite, der mit der Firmengründung diese Aufgabe übernommen hatte.
Nach Loeskes Tod 1929 wurde dessen Lebensgefährtin Rosa Beer (1870-1943) die Haupterbin. Das Erbe umfasste Grundbesitz, Firmen und Firmenanteile sowie allen persönlichen Besitz. Die Gesellschaftsanteile der Margraf & Co. einschließlich ihrer Tochterfirmen hatte Loeske Jakob Oppenheimer und seiner Frau Rosa (1877-1943) vermacht. Da keiner der Erben mit Loeske verwandt gewesen ist, fiel die Erbschaftssteuer hoch aus. Auf das mit rund 11 Millionen Reichsmark bewertete Vermögen wurde eine Erbschaftssteuer von 5 Millionen Reichsmark erhoben.
Im Verlaufe des Winters 1929/30 war der Zusammenbruch der New Yorker Börse auch in Deutschland spürbar geworden. Dass Margraf & Co. von den wirtschaftlichen Entwicklungen betroffen war, veranschaulichen die Betriebsprüfungsberichte der nachfolgenden Jahre. Wegen der Wirtschaftskrise kam es ab 1929 zu Auflösungen von ausländischen und später auch in Deutschland ansässigen Tochterfirmen. Mit der Konzentration auf den Kunst- und Juwelenhandel sollte das Überleben des Konzerns in der Krisenzeit gesichert werden.
Margraf & Co. geriet jedoch in eine wirtschaftliche Schieflage, so dass die Erbschaftssteuerforderungen nicht bezahlt werden konnten. Da auch bei der jüdischen Hausbank Jacquier & Securius in Berlin hohe Kreditforderungen aufgelaufen waren, kam es zu Pfändungen. Sowohl Firmenanteile wie Immobilien wurden ab 1930 wegen der Erbschaftssteuerforderung an das Finanzamt verpfändet. 1933 wurden die Warenbestände der drei oben erwähnten Kunsthandelsfirmen an das Bankhaus sicherheitsübereignet.
Anfang März 1935 wurde die Auflösung der Ostasienkunsthandlung Dr. Otto Burchard & Co. in der Fachpresse des Kunsthandels angekündigt. Es war die zweite von insgesamt vier großen Kunstauktionen, mit denen die Bestände der zu Margraf & Co. Kunsthandelsfirmen 1935 zum Verkauf kamen. Für keine der vier Auktionen ließen sich Verkaufsumstände aufzeigen, die auf eine Verschleuderung hinweisen. Im Auktionsvertrag, den die Bank mit dem Berliner Auktionshaus Paul Graupe und Margraf & Co. schloss, war festgelegt, dass die Kunstgegenstände nicht unter 50% ihres Schätzpreises verkauft werden dürfen. Für alle vier Liquidationsauktionen hat es handelsübliche „unverbindliche Schätzungen“ gegeben. Die in der Weltkunst veröffentlichten Auktionsergebnisse dokumentieren die guten Erträge. Die Auflösung der Kunsthandelsfirmen fand gemäß der vertraglich vereinbarten Sicherheitsübereignung statt. Auf den Auktionen wurden circa 1,5 Millionen Reichsmark erwirtschaftet. Damit waren die Bankschulden, die sich 1935 noch auf 800.000 Reichsmark belaufen hatten, getilgt. Ob die restlichen Erträge wie vertragsgemäß an Margraf & Co. ausbezahlt wurden oder das Finanzamt das Geld wegen der noch ausstehenden Erbschaftssteuerforderung einbehalten hat, ist ungeklärt.
Das jüdische Unternehmerpaar Jakob und Rosa Oppenheimer zählt zu den Verfolgten im Nationalsozialismus in Deutschland. Sie waren Ende März 1933 durch die Flucht nach Frankreich nur knapp ihrer Verhaftung entgangen. Jakob Oppenheimer verstarb 1941 in Nizza. Seine Frau wurde nach dem Einmarsch der deutschen Truppen in das Lager Drancy interniert, nach Auschwitz deportiert und dort 1943 ermordet. Rosa Beer blieb trotz der sich verschärfenden Lebensbedingungen für Juden in Berlin. Sie wurde nach Theresienstadt deportiert, wo sie 1943 ebenfalls ermordet wurde. Mit Datum der Deportation galt ihr Vermögen als an den Staat verfallen.
Aufgrund der unstrittigen Verfolgung werden von den Erben Ansprüche auf Kunstgegenstände geltend gemacht, die auf den Auktionen 1935 zum Verkauf kamen. Die Umstände, die zur Auflösung der Kunsthandelsfirmen von Margraf & Co. geführt haben, sind Gegenstand der Recherchen und Verhandlungen. Die zeitliche Überschneidung einer durch die Weltwirtschaftskrise verursachten Rezession in Deutschland und der Machtergreifung der Nationalsozialisten, erfordert hier eine differenzierte und sensible Betrachtung. Um die Umstände des Verlustes zu klären, müssen verfolgungsbedingte und verfolgungsunabhängige Eingriffe in die Firmenstruktur von Margraf & Co. sorgsam unterschieden werden.
Im Rahmen der Provenienzrecherche der Asiatika-Sammlung Philipp F. Reemtsma konnten in diesem Bestand zwei Objekte ermittelt werden, die gesichert aus der Liquidationsauktion der zum Margraf-Konzern gehörigen Kunsthandelsfirma Dr. Otto Burchard & Co. im März 1935 stammen. Bei einem weiteren Objekt ist diese Provenienz nur zu vermuten. Die Überprüfung der musealen Ankäufe für die Abteilung Ostasien von 1935 ergab, dass das Museum zwei weitere Objekte unmittelbar auf dieser Auktion erworben hatte. Ein weiteres Stück mit dieser Provenienz wurde 1937 im Hamburger Kunsthandel von der Campe'schen Historischen Stiftung für die Abteilung Ostasien erworben. Zwischen 1946 und 1947 wurden vom Haus weitere Asiatika aus einer Privatsammlung angekauft, von denen drei gesichert diesen Herkunftsnachweis tragen.
Für die Abteilung Textil wurde ein Zugang aus der ebenfalls zum Margraf-Konzern gehörigen und gleichfalls liquidierten Galerie van Diemen nachgewiesen, ein "Zufallsfund" in der Recherche Sammlung Reemtsma.
Insgesamt konnten im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg bisher für zehn Objekte die aufgelösten Kunsthandelsfirmen von Margraf & Co. als Provenienz nachgewiesen werden. Eine chinesische Bronzevase befindet sich nicht mehr im Museum, sondern gilt als Kriegsverlust. Für ein Schälchen aus der Sammlung Reemtsma kann ein gesicherter Nachweis dieser Provenienz nicht erbracht werden.
Die die Erben von Rosa und Jacob Oppenheimer vertretende Anwaltskanzlei ist 2012 mit weiteren Forderungen an das Museum herangetreten. Diese betreffen eine Augustus-Rex Vase, die ebenfalls aus der Liquidationsauktion der Galerie van Diemen stammt und 1984 aus dem weiteren Kunsthandel angekauft worden ist. Der Anspruch auf ein achtteiliges Teegeschirr (Silber vergoldet mit Email) aus dem 17. Jahrhundert wurde mittlerweile zurückgezogen, weil es keinen belastbaren Herkunftsnachweis gibt. Die Ansprüche wurden geprüft und die Sammlung des MKG nach möglichen Zugängen aus dieser Quelle durchsucht. Weitere Kunstgegenstände mit der Provenienz der zu Margraf & Co. gehörenden Kunsthandelsfirmen wurden nicht mehr ermittelt.
Die Recherchen zum Restitutionsanspruch zogen sich bis 2015 hin und wurden in Kooperation mit anderen deutschen Museen und im internationalen Austausch mit Provenienzforscherinnen und Provenienzforschern durchgeführt. Als zeitaufwändig erwiesen sich die Recherchen in bis dahin unbekannten oder unzugänglichen Aktenbeständen, deren Auswertung nun vorliegt. Da das Verfahren noch nicht abgeschlossen ist, wurde Verschwiegenheit vereinbart.
(c) Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg
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- Verweist aufHermann Schmitz: Über das Sammeln alter Möbel, Sonderausstellung „Alte Möbel“ bei Margraf & Co, Berlin Unter den Linden 21, 29.10.1928.
- Verweist aufJahrbuch der Hamburger Kunstsammlungen, Band 5, Hamburg 1960.
- Verweist aufManfred Meinz: Die Jagd in der Kunst. Darstellungen auf Silbergerät, Hamburg 1965.
- Verweist aufRenate Scholz: Goldschmiedearbeiten Renaissance und Barock, Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg, Hamburg 1974.
- Verweist aufStiftung zur Förderung der Hamburgischen Kunstsammlungen. Erwerbungen 1957, Hamburg 1957.
- Verweist aufSylvia Rathke-Köhl: Augsburger Silbergeräte des Spätbarock und Geschichte des Augsburger Goldschmiedehandwerks vom Ende des 17. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. Teil 2, maschinenschriftliches unpubliziertes Manuskript in der Staatsbibliothek Hamburg.
- Verweist aufUlrike Weinhold: Emailmalerei an Augsburger Goldschmiedearbeiten von 1650 bis 1750, Berlin 2000.