Provenienzrecherche im Bereich der grafischen Sammlung des schleswig-holsteinischen Landesmuseums für Kunst und Kulturgeschichte für die Erwerbungen ab 1946
Description
Im Bewusstsein ihrer Verantwortung für die Aufarbeitung der eigenen Sammlungsgeschichte und für die Restitution des während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft verfolgungsbedingt entzogenen Kunst- und Kulturbesitzes entsprechend der „Washingtoner Prinzipien“ von 1988 und der „Gemeinsamen Erklärung“ von 1999 betreibt die Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen Schloss Gottorf seit April 2013 die systematische Untersuchung und Aufarbeitung der Sammlungsbestände des Museums für Kunst und Kulturgeschichte. In einem ersten Projekt (April 2013 bis Januar 2016) lag der Fokus auf den Neuerwerbungen aus der Zeit von 1933 bis 1945. Im Anschluss wurde sich in einem zweiten Projekt (Februar 2016 bis Januar 2018) mit den Neuerwerbungen des Museums ab 1946 befasst. Von 1946 bis 2017 sind im Museum für Kunst und Kulturgeschichte insgesamt 80.512 Zugänge neu inventarisiert worden. Aufgrund dieses großen Umfangs an Objekten, die seit dem Ende des zweiten Weltkrieges an das Schleswig-Holsteinische Landesmuseum kamen, wurde der Schwerpunkt des Projektes nachträglich auf die Gemälde gelegt.
Von Februar 2018 bis Januar 2020 wurde ein weiteres Provenienzforschungsprojekt am Museum für Kunst und Kulturgeschichte durchgeführt, welches den grafischen Bestand der Sammlung im Fokus hatte. Unterstützung erhielt das Landesmuseum dabei erneut vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste.
Bereits seit der unmittelbaren Nachkriegszeit wurde neben den traditionellen Sammlungsschwerpunkten des Kunsthandwerks und der Volkskunde Schleswig-Holsteins auch der Bestand an Grafiken kontinuierlich erweitert. Die grafischen Werke machen mit insgesamt 27.110 Objekten ca. 34 % der gesamten Anzahl an Neuerwerbungen von 1946 bis heute aus. Sie wurden bei unterschiedlichen Kunsthändlern und Privatpersonen angekauft oder gelangten durch Schenkungen und auf anderen Wegen in das Landesmuseum. Besonders interessant ist der Zeitraum von 1946 bis zum Beginn der 1970er Jahre, da in dieser Phase noch viele derjenigen Personen, die im unterschiedlichen Maße am NS-verfolgungsbedingten Entzug von Kunst- und Kulturgütern beteiligt waren, weiterhin ihre Positionen inne hatten und - besonders was den Kunsthandel angeht - weiter verkaufen konnten.
Ausgehend von einschlägig bekannten, vorbelasteten Kunsthändlern und Auktionshäusern ergaben sich unter den grafischen Neuerwerbungen eine ganze Reihe von Verdachtsmomenten, welche im Rahmen dieses Forschungsprojektes nähergehend geprüft wurden. Vorrangig ging es um die Erwerbungen bei dem „Antiquariat Ackermann & Sauerwein“ aus München, der „Galerie Commeter“ aus Hamburg, dem „Kunstantiquariat C. G. Boerner“ aus Leipzig/Düsseldorf und des ehemaligen Kunstauktionshauses von Adolf Weinmüller. Hinzu kamen noch einige Schenkungen und Ankäufe aus dem Bereich Grafik und Kunsthandwerk, die durch bestimmte Einzelpersonen mit unterschiedlichen Verbindungen zum Kunstmarkt während der NS-Zeit als „verdächtig“ eingestuft wurden. Dazu gehörten beispielsweise Walter Andreas Hofer, Johannes Hinrichsen und Dr. Klaus Graf von Baudissin.
Einer intensiven einzelfallbezogenen Objektrecherche wurden nach dieser Priorisierung insgesamt 81 Sammlungsobjekte aus dem Bereich der Grafik und des Kunsthandwerks unterzogen. Von diesen wurden sieben als „orange“ (bedenklich) und 74 als „gelb“ (nicht zweifelsfrei unbedenklich) eingestuft.
Darüber hinaus fand eine Sichtung weiterer Ankaufsunterlagen im Archiv des Museums für Kunst und Kulturgeschichte statt. Dazu gehörten zum einen die Dokumente betreffend das „Antiquariat F. Dörling“ in Hamburg, bei denen das Landesmuseum zwischen 1946 und 1972 insgesamt 612 Grafiken erwarb - teilweise als einzelne Blätter, aber vor allem auch als größere Konvolute.
Zum anderen stachen für den gleichen Zeitraum anhand der Sammlungszugangsverzeichnisse besonders vier dänische Kunsthandlungen mit Sitz in Kopenhagen heraus, bei denen das Schleswig-Holsteinische Landesmuseum offensichtlich bevorzugt Ankäufe im grafischen Bereich tätigte: „Skandinavisk Antikvariat Gunnar Wandel“, „Emil Wang’s Kunsthandel“, „Antiquariat Kaabs/Kaabers Antiquariat“ und „Andersen Billed Antikvariat“. Insgesamt wurden in diesen Antiquariaten und Kunsthandlungen 392 grafische Blätter erworben. Auch hier wurden die Ankaufsunterlagen soweit wie möglich gesichtet.
(c) Stiftung Schleswig Holsteinische Landesmuseen Schloss Gottorf
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