Systematische Überprüfung der Provenienzen von Teilbeständen der Sammlungsbereiche Kunstgewerbe, Gemälde und Grafik der Sammlung der Museen für Kunst und Kulturgeschichte in Lübeck
Description
Das erste Jahr des Projekts zur systematischen Untersuchung von Teilbeständen der Sammlungen des Museums für Kunst und Kulturgeschichte war der Erfassung und der Zusammenstellung des Untersuchungsbestands gewidmet. Die systematische und detaillierte Herkunftsüberprüfung aller relevanten Erwerbungen steht noch aus.
Laut Inventarbüchern verzeichnet die Sammlung der Museen für Kunst und Kulturgeschichte zwischen 1933 und 1945 etwa 7.200 Erwerbungen. Hauptsächlich kommt diese recht hohe Zahl dadurch zustande, dass es 1942 einen extrem hohen Anstieg der Erwerbungen gab. In der Nacht zum Palmsonntag 1942 fiel Lübeck einem flächendeckenden Bombenangriff der britischen Luftwaffe zum Opfer. Auch die Gebäude der verschiedenen Sammlungen wurden schwer getroffen. Diesen Verlust suchte man mit zahlreichen Ankäufen aus unterschiedlichsten Provenienzen auszugleichen. Zwischen 1933 und 1945 fanden verstärkt Ankäufe von Kunsthändlern in Lübeck, Hamburg, Berlin, Osnabrück, München und Wien statt, da die NS-Stadtverwaltung eine komplette Umgestaltung des Museums festsetzte. Viele dieser Händler sind bekannt für den Handel mit NSverfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut. Hier muss für jedes der bislang etwa 330 Objekte einzeln recherchiert werden, nach Prüfung ihres heutigen Standortes bzw. Ausschluss der Kriegsverluste, ob es sich möglicherweise um NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut handelt.
Ziel ist es, für möglichst alle der 336 Objekte, die in den Jahren 1933-1945 in die Sammlung eingegangen sind und deren Provenienz nicht zweifelsfrei unbedenklich ist, die Besitzerfolge sowie die jeweiligen Erwerbungsumstände lückenlos zu rekonstruieren, um die tatsächlich als NSverfolgungsbedingt entzogenen Objekte öffentlich zu dokumentieren und eine Rückgabe bzw. Restitution an die Eigentümer oder deren Rechtsnachfolger in die Wege leiten zu können. Als Grundlage - insbesondere für die Provenienzforschung - soll ein Überblick über die Lübecker Kunsthändler, deren Netzwerke und die Erwerbspolitik des damaligen Direktors geschaffen werden.
Um ihrer Verantwortung hinsichtlich der Umsetzung der Grundsätze der Washingtoner Konferenz sowie der Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes nachzukommen, möchten die LÜBECKER MUSEEN nun diejenigen Bestände ihrer Sammlung einer systematischen Prüfung unterziehen, bei denen ein NS-verfolgungsbedingter Entzug von Kulturgütern nicht ausgeschlossen werden kann.
Ausgangsfragen und Zielsetzungen
Durch die systematische Überprüfung soll die Frage geklärt werden, wie das Museum für Kunst und Kulturgeschichte am Prozess der unrechtmäßigen Entziehung von Kulturgut in der NS-Zeit beteiligt war. Hinter jedem Namen könnte eine bedenkliche Erwerbung von einer Privatperson, einer Institution oder von einer Kunsthandlung stehen. So soll möglichst lückenlos die Herkunft aller erworbenen Objekte aus den Bereichen Gemälde, Handzeichnungen, Skulpturen und Kunstgewerbe geklärt werden. Im Fokus werden zunächst die zum Teil offensichtlich verdächtigen Provenienzen, z.B. bekannte Kunsthändler, stehen.
Projekt in Zahlen
Gesamtzahl der zu prüfenden Objekte gemäß der „Farbskala“
Quelle:~ Zentrum für Kulturwissenschaftliche Forschung Lübeck
Auflistung der für das Projekt relevanten handelnden historischen Personen und Institutionen
Carl Georg Heise (bis 1934)
Dr. Hans Schröder, Direktor des Museums für Kunst und Kulturgeschichte Lübeck (ab 1934)
Museum für Kunst und Kulturgeschichte Lübeck
Overbeck-Gesellschaft
Stadtgut Niendorf
Konsul Buck
Dr. Bendfeld
Willibald Leo Freiherr von Lütgendorff-Leinburg
Gebrüder Borchers GmbH i.L., Lübeck
Oskar Brozukat, Hamburg
Karl Büchs, München
Walter Carl, Frankfurt/M.
Siegmund Cohn, Lübeck
Galerie Commeter / Commeter’sche Kunsthandlung, Hamburg
Dorotheum, Wien
Alfred Dubiski, Rostock
Maurice Ekstein, Hamburg
W. Fliegen, Wiesebaden
Kunsthalle Schifferhaus, Wilhelm Fock, Lübeck
M. Gloose, Lübeck
Maximilian Gorke, Leipzig
Greiner & Zietz, Berlin
Dr. Rolph Grosse, Berlin
Wolfgang Gurlitt, Berlin
Marie Härtwig, Berlin
Kunsthaus Heinrich Hahn, Frankfurt/M.
Margarethe Hansen, Hamburg
Dr. Ernst Hauswedell, Hamburg
Ernst Hencke, Lüneburg
Paula Heuser, Hamburg
Altkunst Hezel, Stuttgart
Johannes Heinrich Hinrichsen, Berlin
Hermann Holländer, Dresden
Friedrich Karl August Huelsmann, Hamburg
E. Kahlert & Sohn, Berlin
Hugo C. Koch
Erh. Lang, München
Hans W. Lange, Berlin
Karl Leuthenmayr, München
Paul Lindpaintner, Berlin
Galerie Dr. Wilhelm August Luz, Berlin
August Mau, Rostock
Franz Meyer, Dresden
Cornelius Michaelsen, Lübeck
Hermann Michaelsen, Berlin
Nassauischer Kunstverein, Wiesbaden
Curt Naubert, Leipzig
Friedrich Neumann, Nürnberg
Albert Oldag, Lübeck
Max Perl, Berlin
Alwin Pump, Lübeck
Claud. Röhrdanz, Hamburg
Dr. Hans Rudolph, Berlin
Karl Schein, Kiel
Erich Schmidt, Schwerin
Herbert Schulz, Lübeck
Kunstsalon Herm. Sonnthal, Köln
Franz Thiesing, Osnabrück
R. tho Aspern, Kiel
Bruno Walter, Lübeck
Wennerscheid, Berlin
Otto West, Lübeck
Paul West, Rostock
Antiquariat Wetzler, Wiesbaden
Witte & Co., Hamburg
Galerie Zinckgraf, München
Bürgermeister Bröcker-Stiftung, Rostock
Frau Capell, Mölln
Zentrale für private Fürsorge, Lübeck
Armenanstalt, Lübeck
Ilse Jakobus, Berlin
Japsen, Hamburg
Bankdirektor Steinfeld, Lübeck
Transparenz
Bislang wird das von der Stiftung Deutsches Zentrum Kulturgutverluste geförderte Projekt auf den Seiten des Museum Behnhaus Drägerhaus vorgestellt. Zudem ist ein Beitrag auf den Seiten des Zentrums für Kulturwissenschaftliche Forschung Lübeck (ZKFL) zu finden. Ferner erschien im März 2016 jeweils ein Artikel in den Lübecker Nachrichten und in HL-live, einer online-Zeitung für Lübeck.
Geplant ist eine Projektvorstellung erster Ergebnisse der systematischen Untersuchung von Erwerbungen des Museums für Kunst und Kulturgeschichte Lübeck im Rahmen eines Symposiums des ZKFL. Zudem wird eine Ausstellung zum Thema Provenienzforschung in den Lübecker Museen angestrebt.
Basic information
Research report and other sources
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