Völkermord in Deutsch-Südwestafrika/Namibia
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Description
Die Etablierung der Kolonie „Deutsch-Südwestafrika“ bedeutete für die einheimische Bevölkerung des südwestlichen Afrika eine schrittweise Enteignung, Entrechtung und Durchdringung des Alltags mit Gewalt. Dagegen erhoben sich bereits Ende des Jahres 1903 Bondelswart-Nama im Süden der Kolonie. Schließlich rief Samuel Maharero, Chief der Herero, zum gewaltsamen Widerstand gegen die fortschreitende Kolonisierung auf. Am 12. Januar 1904 begann in Zentralnamibia ein Widerstandskrieg gegen die deutsche Kolonialmacht, dem sich im Oktober 1905 auch Nama-Chief Hendrik Witbooi anschloss. Ein Wendepunkt des Krieges war das „Gefecht von Ohamakari“ bzw. die „Schlacht am Waterberg“ am 11./12. August 1904: Der Kommandeur der deutschen kolonialen Truppe, Lothar von Trotha, befahl im Anschluss eine Verfolgungs- und Vertreibungsaktion der nach Osten durch die Halbwüste Omaheke Flüchtenden Herero-Truppen und -Zivilisten. Sie fand ihren Ausdruck im sog. „Schießbefehl“/„Vernichtungsbefehl“ gegen die Herero (datiert auf den 3. Oktober 1904), später auch gegen die Nama (datiert auf den 22. April 1905). Zwar wurde die an die Herero gerichtete Proklamation nach sechs Wochen zurückgezogen, jedoch waren zu diesem Zeitpunkt viele der Flüchtenden verhungert und verdurstet. Der Krieg im Süden des Landes entwickelte sich währenddessen zu einem mehrjährigen Guerillakrieg.
Ab 1905 wurden Gefangene und Überlebende von Krieg und Völkermord in sog. Konzentrationslager interniert. Tausende starben durch Hunger, Krankheiten, Fehl- und Mangelernährung sowie durch Erschöpfung infolge von Zwangsarbeit. Die Bewertung der deutschen Kriegspolitik als Völkermord stützt sich auf den Erlass der beiden Proklamationen und ihre Folgen, auf einen kurz nach der ersten Proklamation verfassten Brief Lothar von Trothas an den deutschen Generalstab, der die Intention des Völkermords formuliert, und auf die Politik der „Ermordung durch Vernachlässigung“ (Jürgen Zimmerer) in den Gefangenenlagern, als deren Folge nach Schätzungen 50 bis 80 Prozent der herero- und namasprachigen Bevölkerung Deutsch-Südwestafrikas getötet wurden. Der Krieg wurde im März 1907 von deutscher Seite für beendet erklärt, wird aber oft bis Januar 1908 datiert, als offiziell die Kriegsgefangenschaft aufgehoben wurde. Als Folge des Krieges wurden 1906 alle am Krieg beteiligten Gruppen enteignet, 1907 wurde eine Passpflicht für die afrikanische Bevölkerung eingeführt, womit diese rigider Kontrolle unterworfen und in die Lohnarbeit gezwungen wurde. Seit vielen Jahrzehnten gedenken nama- und hererosprachige Namibier des Widerstandskriegs und fordern seine Anerkennung als Völkermord. Seit ca. 2004 erinnern vermehrt auch zivilgesellschaftliche Gruppen in Deutschland sowie einzelne deutsche Politiker an die Ereignisse von 1904–1908. Während der Begriff des Völkermords für den Krieg in Deutsch-Südwestafrika in der Geschichtswissenschaft als etabliert gilt, ist er in der politischen Arena aus Gründen etwaiger juristischer Implikationen für die ehemaligen europäischen Kolonialmächte umstritten.
Seit 2015 verhandeln deutsche und namibische Regierung daher über die Anerkennung als Völkermord sowie über Formen der Entschuldigung und Wiedergutmachung. 2019 wurde von beiden Staaten eine "Gemeinsame Erklärung" aufgesetzt, die das namibische Parlament bisher nicht passiert hat. (LF, Vgl. Zeller u.a. 2003)
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Personen/Körperschaften
- Verweist auf
- BeteiligterHugo Bofinger war Leiter der „Kranken-Eingeborenen Station“ und des „Bakteriologische Laboratorium“, die zum sog. Konzentrationslager für internierte Herero und Nama gehörten.09.2021
- BeteiligterErnst Berg trat am 26. März 1903 als Stabs- und Bataillonsarzt in den Dienst der Schutztruppe für Deutsch-Südwestafrika. Zugleich Wahrnehmung der Geschäfte des Oberstabsarztes und Beförderung zum Oberarzt am 13. August 1904. Offizielle Meldung in Windhuk. Zu Beginn der Kampfhandlungen (Januar 1904) arbeitete Ernst Berg als Chefarzt im Sanitätsamt der Schutztruppe und war in Windhuk ebenfalls Chefarzt des dortigen (Etappen-) Lazarettes. 1908 zwischenzeitlicher Kommandeur des Südbezirkes Keetmannshoop. 1914 erneute Tätigkeit in Windhuk. Ab Oktober 1913 als Generaloberarzt der Deutschen Schutztruppen in Deutsch-Südwestafrika. Ernst Berg blieb bis zur Kapitulation am 9. Juli 1915 in Deutsch-Südwestafrika.09.01.2022
- BeteiligterWilhelm Drews war ab dem 19.01.1906 Offizier des 1. Feldregiments in der Schutztruppe für Deutsch-Südwestafrika, u.a. stationiert in Otavi. Er war u.a. an der Kartographie des Gebiets beteiligt und unternahm 1909 eine Erkundung in den Hunsbergen im Süden und fertigte Aufnahmen von dieser Gegend an. Seine Ergebnisse publizierte er 1910 in den Mitteilungen aus den Deutschen Schutzgebieten.09.2021
- Verweist aufMenschliche Körper und Körperteile von namibischen Opfern des Krieges wurden in deutsche wissenschaftliche Institutionen für rassenanthropologische Forschungen transferiert, u.a. in das damalige Anatomische Institut der Friedrichs-Wilhelms-Universität Berlin.09.2021
- Verweist aufDer Aufenthalt von Gerald Jorns in der ehemaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika begann nur wenige Tage nach dem „Vernichtungsbefehl“ von General von Trotha am 2. Oktober 1904 und dem Beginn der systematischen Absperrung der Omaheke, und fällt in die "Hochphase" des Völkermords in Deutsch-Südwestafrika/Namibia.09.2021
- BeteiligterIn der Schutztruppe für Deutsch-Südwestafrika war Wilhelm Thiel als Leutnant in der 4. Fuhrpark Kolonnen Abteilung (13.12.1904-1906) tätig.09.2021
- Leitende PositionLothar von Trotha war Oberbefehlshaber der deutschen kolonialen Truppe in der ehemaligen Kolonie "Deutsch-Südwestafrika" und maßgeblich verantwortlich für den Völkermord an den Herero und Nama (1904-1908) ebendort.Further sourceGlossar Proveana12.10.2023
- Verweist aufFür die Erinnerung an den Völkermord in Deutsch-Südwestafrika/Namibia nahm der Verein ehemaliger China- und Afrikakämpfer in Lübeck und Umgegend eine wichtige Rolle ein.09.01.2022
Sammlungen
- Verweist aufMehrere Objekte aus der Sammlung Ernst Berg stammen vom Ohamakari/"Waterberg", weshalb ein Bezug zum Völkermord in Deutsch-Südwestafrika / Namibia in Betracht zu ziehen ist.09.01.2022
- Verweist aufGerald Jorns erwarb während seines Aufenthaltes Objekte in Deutsch-Südwestafrika.09.01.2022
- Verweist aufWilhelm Drews erwarb während seines Aufenthaltes Objekte in Deutsch-Südwestafrika.09.01.2022
- Verweist aufWilhelm Thiel erwarb während seines Aufenthaltes Objekte in Deutsch-Südwestafrika.09.01.2022
References
Forschungsprojekte
- Project reference
Archivalien
Literatur & digitale Angebote
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- Wird angeführt in(Unterstützung und Beteiligung der Kolonie Deutsch-Südwestafrika von Lübeck.)09.01.2022