Erwerbswege im Licht neuer Provenienzrecherchen. [...]
Description
Die gesellschaftliche und kulturhistorische Bedeutung wissenschaftlicher Sammlungen an deutschen Universitäten erfährt in jüngster Zeit zunehmende Aufmerksamkeit von fachlicher und öffentlicher Seite. Zu ihnen gehört auch die Ethnologische Sammlung der Georg-August-Universität Göttingen, die 1775 als ‚Ethnographische Sammlung‘ aus dem ‚Königlich Academisches Museum‘ der Universität Göttingen hervorging. Die mittlerweile circa 18.000 Objekte umfassende Sammlung dient vorwiegend Forschungs- und Studienzwecken mit dem Bestreben nach öffentlicher Vermittlung der Ergebnisse wissenschaftlicher Bestandserschließungen. Insofern liegt hierin auch ein begründetes Motiv für die im Konsens mit der Gemeinsamen Erklärung von 1999 und der Washingtoner Erklärung von 1998 vorgenommene Ausweitung von Provenienzrecherchen nach möglicherweise NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut im Afrika-Bestand der Ethnologischen Sammlung für den Untersuchungszeitraum 1933 bis 1958.
Die Eckdaten des Untersuchungszeitraums schließen den Machtantritt der Nationalsozialisten 1933 und die Pensionierung des ersten Ordinarius für Völkerkunde in Göttingen, Hans Plischke (1890 bis 1972) 1958, ein, der 1928 aus Leipzig nach Göttingen kam. Universitäre Schlüsselpositionen sowie die Bündelung wissenschaftlicher und politischer Ämter kennzeichneten seine Vita speziell während des nationalsozialistischen Regimes. Nachhaltig prägte er den Führungsstil des Instituts für Völkerkunde und der Ethnographischen Sammlung analog zur Etablierung des Faches.
Die Aufarbeitung und Dokumentation, insbesondere auch die der Nachkriegs- und Fünfziger Jahre, stand im Mittelpunkt der zu klärenden Frage, inwieweit durch Ankauf, Schenkungen und Nachlässe, über Zweit- und Drittkontakte der Netzwerkverbindungen von Plischke, Objekte zweifelhafter Herkunft in den Afrika-Bestand eingingen. Angestrebt wird dabei auch die Rekonstruktion des wissenschaftspolitischen Habitus von Plischke, und seiner erwerbspolitischen Strategien im Wechselspiel gesellschaftlicher Umbrüche und politischer Systeme. Die Ausdehnung der NS-Raubgutforschung auf diesen universitären Sammlungszweig beinhaltet zugleich ein Pioniervorhaben.
Transparenz:
21./22.01.2016 Vortrag Tagung „Nicht nur Raubgut! Sensible Dinge in Museen und wissenschaftlichen Sammlungen“, Organisation durch Sammlungskoordination an der Universitätsbibliothek zusammen mit der Ethnografischen Studiensammlung am Institut für Ethnologie und Afrikastudien der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz.
20.10.2016 Kurzvortrag „Erwerbswege im Licht neuer Provenienzrecherchen. Die Ethnologische Sammlung der Georg-August-Universität Göttingen 1933 bis 1958“ im Rahmen des Intensivseminars der Bundesakademie für kulturelle Bildung Wolfenbüttel, Provenienzforschung II. Die Praxis der Identifizierung von Sammlungen und Beständen.
26.10.2016 Ausrichtung des Arbeitstreffens Netzwerk Provenienzforschung in Niedersachsen am Standort Göttingen: Erstmals wurden das hier beschriebene Projekt und das ebenfalls von der Stiftung Deutsches Zentrum Kulturgutverluste finanziell unterstützte Pilotprojekt „Erstcheck in fünf Stadt- und Regionalmuseen zur Provenienzforschung in Südniedersachsen“ von Dr. Christian Riemenschneider sowie das Projekt zur „Entwicklung von interoperablen Standards für die Kontextualisierung heterogener Objekte am Beispiel der Provenienz Asch“ von Dr. Gudrun Bucher vorgestellt. Eingeleitet wurde das Treffen mit einer Führung durch die Dauerausstellung der Ethnologischen Sammlung der Universität Göttingen durch den Kustos der Ethnologischen Sammlung der Göttinger Universität, Dr. Michael Kraus.
13.07.2017 Vortrag „Erwerbswege im Licht neuer Provenienzrecherchen. Die Ethnologische Sammlung der Georg-August-Universität Göttingen 1933 bis 1958“ im Rahmen der semestergebundenen Kolloquiumsreihe am Institut für Ethnologie der Georg-August-Universität Göttingen.
Juni 2018 Aufsatz für das Göttinger Jahrbuch für Geschichte des Geschichtsvereins für Göttingen und Umgebung e. V. [in Vorbereitung].
(c) Institut für Ethnologie der Georg-August-Universität Göttingen
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