Hinweise für die Erbenermittlung

Das Deut­sche Zen­trum Kul­tur­gut­ver­lus­te bie­tet mit sei­ner Lost Art-Da­ten­bank heu­ti­gen Er­ben und An­spruch­stel­lern die Mög­lich­keit, selbst nach NS-ver­fol­gungs­be­dingt ent­zo­ge­nem Kul­tur­gut (im Fol­gen­den: Raub­gut) zu su­chen und ei­ge­ne Ver­lus­te zu ver­öf­fent­li­chen. Oft wis­sen die Nach­fah­ren der 1933–1945 ver­folg­ten Fa­mi­li­en je­doch nichts vom Ver­lust oder vom Ver­bleib ih­res Ei­gen­tums. Ei­ne ak­ti­ve Er­ben­su­che durch das Deut­sche Zen­trum Kul­tur­gut­ver­lus­te ist zwar sat­zungs­be­dingt nicht mög­lich - das Zen­trum bie­tet aber mit die­ser On­line-Ru­brik im Rah­men sei­nes Auf­trags ei­nen ak­tu­ell ge­hal­te­nen Wis­sens­stand mit Hin­wei­sen zu Me­tho­den, Ab­läu­fen, Re­cher­chemög­lich­kei­ten und Quel­len zur Er­mitt­lung mög­li­cher Er­ben. Zu­dem be­steht seit Be­ginn des Jah­res 2019 die Mög­lich­keit, beim Zen­trum ei­ne För­de­rung von Pro­jek­ten zur Er­be­ner­mitt­lung zu be­an­tra­gen.

Ide­al­ty­pi­sche Schrit­te zum Auf­fin­den von An­spruchs­be­rech­tig­ten se­hen wie folgt aus.

Die Schrit­te 1 bis 3 sind Be­stand­teil der klas­si­schen Pro­ve­ni­enz­for­schung

Hier­bei wird, so­fern vor­han­den, die schrift­li­che Über­lie­fe­rung zur be­tref­fen­den Samm­lung kon­sul­tiert, um die ver­mut­li­che Her­kunft ei­nes Ob­jek­tes und Hin­wei­se auf den Ei­gen­tü­mer­na­men zu er­mit­teln. Am wich­tigs­ten sind bei die­sen Re­cher­chen ins­be­son­de­re:

  • die Zu­gangs­do­ku­men­ta­ti­on, wie Zu­gangs­bü­cher, Ein­gangs­in­ven­ta­re, Ak­zes­si­ons­jour­na­le, Über­nah­me­lis­ten,
  • die Samm­lungs­do­ku­men­ta­ti­on, wie Be­stands­ka­ta­lo­ge, In­ven­tar­bü­cher, Kar­tei­en,
  • die zeit­ge­nös­si­sche Kor­re­spon­denz, wie Schrift­wech­sel zur Ob­jekt­über­nah­me, An­fra­gen bei Kunst­händ­lern, An­ge­bo­te von Ver­käu­fern, Brief- und Post­bü­cher,
  • die sons­ti­ge schrift­li­che Über­lie­fe­rung, wie Auk­ti­ons­lo­se, an­no­tier­te Auk­ti­ons­ka­ta­lo­ge, Rech­nun­gen, Kauf­be­le­ge, Werk­ver­zeich­nis­se so­wie
  • die Ob­jek­te selbst, wie z.B. Ge­mäl­de und Gra­fik (Rück­sei­ten­ver­mer­ke, Auf­kle­ber, Be­schrif­tun­gen, Zoll­stem­pel, bei Por­träts auch: Dar­ge­stell­te als Hin­weis auf die Fa­mi­lie), Bü­cher und Schrif­ten (Ex­li­bris, Su­pra­li­bros, Si­gna­tu­ren, Stem­pel, Wid­mun­gen, Vor­be­sit­zer­spu­ren all­ge­mein), Kunst­ge­wer­be, Haus­rat, Tex­ti­li­en usw. (Mo­no­gram­me, Gra­vu­ren, Wap­pen).

Kos­ten­freie Da­ten­ban­ken ste­hen al­len Pro­ve­ni­enz­for­schern glei­cher­ma­ßen zur Ver­fü­gung. Die­se on­line be­reit­ge­stell­ten Per­so­nenda­ten­ban­ken, Pro­ve­ni­enz­merk­malda­ten­ban­ken und Ob­jektda­ten­ban­ken kön­nen zu­min­dest bei je­nen Na­men und Spu­ren frü­he­rer Be­sit­zer wei­ter­hel­fen, die der For­schung be­reits be­kannt ge­wor­den sind.

Da­ne­ben gibt es auch ei­ne An­zahl kos­ten­pflich­ti­ger An­ge­bo­te. Die Nut­zungs­ge­büh­ren da­für sind beim Deut­schen Zen­trum Kul­tur­gut­ver­lus­te för­der­fä­hig, kön­nen al­so bei ei­nem An­trag zur Pro­jekt­för­de­rung mit be­rück­sich­tigt wer­den.

Die Spann­wei­te des Ei­gen­tums- bzw. Be­sitz­ver­lus­tes zwi­schen 1933 und 1945 reich­te von in­di­vi­du­el­lem Not­ver­kauf, Ver­auk­tio­nie­rung, Tausch, Weg­ga­be, treu­hän­di­scher Über­ga­be an Be­kann­te über be­hörd­li­che Be­schlag­nah­men, Ein­zie­hung, Ein­be­halt, Zwangs­ver­kauf, Ent­eig­nung und „Ari­sie­rung“ bis zur Plün­de­rung und Zer­stö­rung durch Amts- oder Pri­vat­per­so­nen. Über sol­che Vor­gän­ge ge­ben ins­be­son­de­re Aus­kunft:

  • NS-Reichs­an­zei­ger (Lis­ten aus­ge­bür­ger­ter Per­so­nen, Lis­ten ent­eig­ne­ter Per­so­nen, Lis­ten ent­eig­ne­ter In­sti­tu­tio­nen), in Bi­blio­the­ken zu fin­den oder voll­stän­dig di­gi­tal an­ge­bo­ten von der Uni­ver­si­täts­bi­blio­thek Mann­heim,
  • NS-Ta­ges­pres­se (An­zei­gen, Be­kannt­ma­chun­gen, - auch von Ver­stei­ge­run­gen) in un­ter­schied­li­cher Voll­stän­dig­keit in den ört­li­chen Bi­blio­the­ken, Mu­se­en und Ar­chi­ven zu fin­den,
  • NS-Ver­wal­tungs­schrift­gut der am Raub be­tei­lig­ten Reichs-, Lan­des-/Pro­vin­zi­al-, Gau-/Kreis- und Par­tei­be­hör­den, dar­in u.a. Ak­ten der Fi­nanz­ver­wal­tung wie z.B. der Ober­fi­nanz­di­rek­ti­on u.a. mit Ver­mö­gens­lis­ten und Käu­fer­lis­ten sog. „Ju­den­auk­tio­nen“ (in den Lan­des­ar­chi­ven), Ak­ten der Po­li­zei­ver­wal­tung (in den Stadt-, Kreis- und Lan­des­ar­chi­ven, Ge­sta­po-Ak­ten im Bun­de­sar­chiv), Ak­ten der Zoll­ver­wal­tung (im Bun­de­sar­chiv), Ak­ten der Kul­tur­ver­wal­tung (wie z.B. der Pro­vin­zi­al-Mu­se­ums­pfle­ger, der Pro­vin­zi­al-Kon­ser­va­to­ren usw. in den Lan­des­ar­chi­ven), Ak­ten der NS­D­AP-Kreis­lei­tun­gen (dar­in Ak­ten zur sog. „Ari­sie­rung“ bzw. „Ent­ju­dung“, Er­fas­sung po­li­ti­scher Geg­ner usw. in den heu­ti­gen Stadt-, Kreis- und Lan­des­ar­chi­ven) u.v.m.,
  • per­sön­li­che Do­ku­men­te der Ge­schä­dig­ten selbst und der Per­so­nen aus ih­rem Um­feld (Brie­fe, Post­kar­ten, Ta­ge­bü­cher, No­tiz­bü­cher vor und nach 1945).

So­fern die Re­cher­che in samm­lungs­ei­ge­nen Ar­chi­va­li­en noch kei­ne Er­kennt­nis­se über die Fa­mi­li­en­ver­hält­nis­se der Op­fer er­bringt, kön­nen Nach­schla­ge­wer­ke und Fachli­te­ra­tur (s. Li­te­ra­tur) so­wie ei­ni­ge Da­ten­ban­ken wei­ter­hel­fen.

Dar­un­ter ist die so­ge­nann­te „graue Li­te­ra­tur“ (Schrif­ten im Selbst­ver­lag) meist er­gie­bi­ger als Nach­schla­ge­wer­ke oder Da­ten­ban­ken, weil die­se Li­te­ra­tur oft über blo­ße For­ma­l­an­ga­ben hin­aus­geht, Fa­mi­li­en­ge­schich­ten schil­dert und wich­ti­ge Rand­de­tails nennt (z.B. Emi­gra­ti­ons­or­te, Na­mens­wech­sel und Ver­wandt­schafts­be­zie­hun­gen), die für ei­ne Re­cher­che aus­ge­wer­tet wer­den kön­nen. Graue Li­te­ra­tur ist teil­wei­se über die Lan­des- und Re­gio­nal­bi­blio­gra­phien er­fasst; dar­über hin­aus kann sie nur in (Stadt- und Re­gio­nal-) Mu­se­en, (Kreis-, Stadt-, Spe­zi­al- und Pri­vat-)Ar­chi­ven so­wie (Ge­schichts-, Ge­denk- und Hei­mat-)Ver­ei­nen an­ge­fragt wer­den.

Ne­ben mög­li­chen Wie­der­gut­ma­chungs­ak­ten und On­line-Re­cher­che­mit­teln sind für In­for­ma­tio­nen zur mög­li­chen Exis­tenz von Ho­lo­caust-Über­le­ben­den ei­ner Fa­mi­lie (d.h. Kin­der, En­kel, Ehe­part­ner, Ge­schwis­ter, an­de­re Fa­mi­li­en­mit­glie­der) und zu mög­li­chen an­ders­lau­ten­den Per­so­nen­na­men heu­ti­ger Rechts­nach­fol­ger ins­be­son­de­re fol­gen­de Ar­chi­vquel­len grund­le­gend:

  • sog. Re­si­den­ten­lis­te „Die Lis­te der jü­di­schen Ein­woh­ner im Deut­schen Reich 1933-1945“ (im Bun­de­sar­chiv)
  • Ein­woh­ner­mel­de­kar­ten (in Stadt­ar­chi­ven, Lan­des­ar­chi­ven)
  • Bür­ger­rol­len (in Mu­se­ums­samm­lun­gen, Stadt­ar­chi­ven, Lan­des­ar­chi­ven)
  • Adress­bü­cher z.B. zur Er­mitt­lung von Haus­halts­an­ge­hö­ri­gen oder dem Zeit­punkt der Emi­gra­ti­on (in Bi­blio­the­ken, Mu­se­ums­samm­lun­gen, Stadt­ar­chi­ven, Lan­des­ar­chi­ven)
  • sog. „Ari­sie­rungs“- und „Ent­ju­dungs“-Ak­ten (in Stadt­ar­chi­ven, Lan­des­ar­chi­ven)
  • Ak­ten der Ober­fi­nanz­di­rek­tio­nen (u.a. mit An­ga­ben zu „De­vi­sen­ver­ge­hen“ im Aus­land le­ben­der Fa­mi­li­en­an­ge­hö­ri­ger)

In al­len die­sen Do­ku­men­ten bis zum Kriegs­en­de 1945 fin­den sich An­ga­ben zu Ehe- und Wohn­ver­hält­nis­sen, zu Haus­halts- und Fa­mi­li­en­mit­glie­dern oder de­ren Nach­kom­men. Im Aus­land woh­nen­de oder zum Zeit­punkt der Er­fas­sung be­reits emi­grier­te An­ge­hö­ri­ge wer­den häu­fig mit an­ge­ge­ben.

Bei den Schrit­ten 4 und 5 sind Re­cher­chen in na­tio­na­len Ar­chi­ven mög­lich:

Bei der Fra­ge nach der An­spruchs­be­rech­ti­gung soll­te be­rück­sich­tigt wer­den, ob be­reits in frü­he­ren Jah­ren (bis zum In­kraft­tre­ten des Bun­des­rück­er­stat­tungs­ge­set­zes im Jah­re 1957) von in­sti­tu­tio­nel­ler oder pri­va­ter Sei­te her Ver­gleichs- und Aus­gleichs­be­mü­hun­gen er­folg­ten, s. hier­zu aus­führ­li­cher Hand­rei­chung 2019.

Auch frü­her er­folg­te Ver­su­che ei­ner Rück­über­tra­gung, Ver­hand­lun­gen über ei­ne mög­li­che Über­las­sung, Ver­ein­ba­run­gen über die Dau­er­leih­ga­be von Ob­jek­ten und der­glei­chen mehr soll­ten ge­prüft und do­ku­men­tiert wer­den. Per­sön­li­che Wil­lens­be­kun­dun­gen des Ge­schä­dig­ten nach 1945 (et­wa in­dem sich ein Be­rech­tig­ter ans Mu­se­um selbst wand­te oder im Rah­men sei­nes Wie­der­gut­ma­chungs­ver­fah­rens Aus­sa­gen zur ge­wünsch­ten Be­hand­lung des ge­raub­ten Ei­gen­tums mach­te) zäh­len eben­falls hier­un­ter.

Ei­ner­seits ge­ben die­se Un­ter­la­gen Hin­wei­se auf Wohn­or­te und Na­men nach 1945. An­de­rer­seits sind sol­che In­for­ma­tio­nen mit­tel­bar wich­tig für Ge­sprä­che mit Erb­be­rech­tig­ten – und ge­ge­be­nen­falls für die mög­li­che An­ru­fung der Be­ra­ten­den Kom­mis­si­on oder für die Ar­beit des Deut­schen Zen­trums Kul­tur­gut­ver­lus­te im Hin­blick auf des­sen Un­ter­stüt­zung beim Fin­den ei­ner fai­ren und ge­rech­ten Lö­sung (s. da­zu Schritt 10).

Die Be­auf­trag­te der Bun­des­re­gie­rung für Kul­tur und Me­di­en (BKM) und das Bun­des­amt für zen­tra­le Diens­te und of­fe­ne Ver­mö­gens­fra­gen (BADV) emp­feh­len, „die im BADV, Re­fe­rat C 2, ver­wal­te­ten Ar­chi­va­li­en aus der NS-Zeit, die im Zu­sam­men­hang mit Ver­mö­gens­ent­zie­hun­gen ge­gen­über Ver­folg­ten ent­stan­den sind, so­wie die vor­lie­gen­den Ver­fah­rens­ak­ten nach dem Bun­des­rück­er­stat­tungs­ge­setz (BRüG) für ih­re Pro­ve­ni­enz­for­schung zu nut­zen“ (s. Um­set­zung des BRüG).

Ei­ne An­fra­ge beim BADV ge­schieht ei­ner­seits zur Ver­ge­wis­se­rung, ob Ver­mö­gens­an­sprü­che ei­nes NS-Ver­folg­ten dort be­reits ak­ten­kun­dig sind – und an­de­rer­seits, um Dop­pel­ent­schä­di­gun­gen zu ver­mei­den (ge­mäß der Ge­mein­sa­men Er­klä­rung 1999, Zif­fer I), falls es be­reits Kom­pen­sa­ti­ons­leis­tun­gen des Bun­des gab.

Über­le­ben­de des Ho­lo­caust oder ih­re Nach­fah­ren ha­ben fall­wei­se nach 1945 An­trä­ge auf Ent­schä­di­gung (im­ma­te­ri­el­ler Schä­den) und Rück­er­stat­tung (ma­te­ri­el­ler Schä­den) bei den Be­sat­zungs­be­hör­den, ab 1949 dann bei den so­ge­nann­ten Wie­der­gut­ma­chungs­äm­tern der Län­der ge­stellt. Ne­ben der In­for­ma­ti­on, ob und wel­che Ent­schä­di­gungs- und sons­ti­gen Kom­pen­sa­ti­ons­be­mü­hun­gen durch den Staat be­reits un­ter­nom­men wur­den, lie­fern die Ak­ten in al­ler Re­gel vor al­lem Hin­wei­se auf den Vor­gang des Be­sitz­ver­lus­tes, so­wie den Ver­bleib von Nach­kom­men, An­ge­hö­ri­gen und Er­ben.

Für ei­ne Fern­prü­fung ste­hen al­lein die Ak­ten der Ber­li­ner Wie­der­gut­ma­chungs­äm­ter zur Ver­fü­gung, und auch nur bis zu ei­ner ge­wis­sen Er­schlie­ßungs­tie­fe: Die Ak­ten sind in­halt­lich ge­rafft wie­der­ge­ge­ben, di­gi­tal nicht in Gän­ze les­bar. Ei­ne Re­cher­che je­weils vor Ort ist da­her un­ver­meid­lich.

Grund­sätz­lich be­fin­den sich Wie­der­gut­ma­chungs­ak­ten in den zu­stän­di­gen Ar­chi­ven am letz­ten Wohn­ort der Op­fer oder, ins­be­son­de­re bei Emi­gran­ten, am Ort der Ent­zie­hung (z.B. Über­see­hä­fen).

Für die Schrit­te 6 bis 9 sind meist auch in­ter­na­tio­na­le Re­cher­chen nö­tig:

Um über das Kriegs­en­de 1945 hin­aus­ge­hen­de In­for­ma­tio­nen zum mög­li­chen heu­ti­gen Auf­ent­halts­ort von Fa­mi­li­en­mit­glie­dern zu er­hal­ten, müs­sen Er­ben zu ei­nem frü­he­ren Zeit­punkt schon ein­mal mit na­tio­na­len Be­hör­den Kon­takt auf­ge­nom­men ha­ben (z.B. im Rah­men ei­nes Wie­der­gut­ma­chungs­an­trags, ei­ner Rück­for­de­rung an ein Mu­se­um). Nur in sol­chen Fäl­len lie­ße sich auf na­tio­na­lem We­ge ak­ten­ge­stützt re­cher­chie­ren und nach­fra­gen, u.a. bei:

  • Amts­ge­rich­ten
  • No­ta­ria­ten
  • Stan­des­äm­tern
  • Ein­woh­ner­mel­de­äm­tern
  • Mu­se­umsar­chi­ven (z.B. Brief­wech­sel zu ver­miss­tem Kul­tur­gut)
  • Stadt­ar­chi­ven
  • Lan­des­ar­chi­ven (z.B. Wie­der­gut­ma­chungs­ak­ten)
  • BADV (z.B. Rück­er­stat­tungs­ak­ten)
  • Zen­tral­rat der Ju­den in Deutsch­land, Is­rae­li­ti­sche Kul­tus­ge­mein­den (so­fern die Nach­kom­men wie­der Teil ei­ner deut­schen jü­di­schen Ge­mein­de wur­den), In­sti­tu­tio­nen der Er­in­ne­rungs­pfle­ge (wenn bei ih­nen schon ge­nea­lo­gi­sche Nach­fra­gen ge­stellt oder Do­ku­men­te ab­ge­ge­ben wur­den, z.B. Mo­ses-Men­dels­sohn-Aka­de­mie)

An­sons­ten müs­sen trans­na­tio­na­le Re­cher­chen an­ge­strengt wer­den. Emi­gra­ti­ons­zie­le ein­zel­ner Fa­mi­li­en­mit­glie­der kön­nen z.B. (ne­ben der be­reits er­wähn­ten Nach­schla­ge-, Grau- und Fachli­te­ra­tur) durch Re­cher­chen in den di­gi­ta­li­sier­ten Aus­ga­ben jü­di­scher Exil­pres­se (Text- und An­zei­gen­teil), s. Di­gi­ta­li­sa­te, er­mit­telt wer­den.

Wei­te­re Mög­lich­kei­ten (z.B. die Re­cher­che in Be­hör­den­ak­ten an­de­rer Län­der oder die Aus­kunft dar­aus, be­son­ders wenn sich Vor­na­men – bei­spiels­wei­se Mo­ritz, Mo­reau, Mau­ri­ce – oder Nach­na­men – bei­spiels­wei­se Kohn, Cohn, Co­hen, Co­ne – im Ziel­land ge­än­dert ha­ben) ste­hen na­tio­nal nicht zur Ver­fü­gung.

Da­ne­ben emp­fiehlt sich auch die Ab­fra­ge ge­nea­lo­gi­scher Da­ten­ban­ken. Die kos­ten­pflich­ti­gen ge­nea­lo­gi­schen In­for­ma­ti­ons­an­ge­bo­te (wie An­ce­stry) kön­nen un­ent­gelt­lich z.B. an meh­re­ren Com­pu­ter­ar­beitsplät­zen im Aus­wan­der­er­mu­se­um Bal­lin­stadt Ham­burg und im Deut­schen Aus­wan­de­rer­haus Bre­mer­ha­ven ge­nutzt wer­den.

Ei­ne An­fra­ge bei zen­tra­len Aus­kunfts­diens­ten (wie dem In­ter­na­tio­nal Tra­cing Ser­vice) oder in­ter­na­tio­nal tä­ti­gen Or­ga­ni­sa­tio­nen (wie dem Leo Baeck In­sti­tu­te oder der Je­wish Claims Con­fe­rence) kann sich loh­nen, weil die­se In­sti­tu­tio­nen oft ei­nen ge­nea­lo­gi­schen Wis­sens­stand be­sit­zen. Auch et­li­che jü­di­sche Ver­ei­ni­gun­gen oder Or­ga­ni­sa­tio­nen (wie die Is­rae­li­ti­schen Kul­tus­ge­mein­den oder die Is­rae­li­ti­schen Re­li­gi­ons­ge­mein­schaf­ten) ha­ben ent­we­der be­reits Er­ben­su­che be­trie­ben oder Kon­takt zu Nach­kom­men ehe­mals Ver­folg­ter auf­ge­baut.

Ei­ne An­fra­ge bei In­sti­tu­tio­nen und Netz­wer­ken, die sich be­son­ders der Er­in­ne­rungs­pfle­ge (z.B. Yad Vas­hem) oder der Fa­mi­li­en­for­schung (z.B. Je­wis­h­Gen) ver­schrie­ben ha­ben, bie­tet sich an – eben­so wie ei­ne Un­ter­stüt­zungs­bit­te an na­tio­na­le und in­ter­na­tio­na­le Ge­nea­lo­gen­ver­bän­de (z.B. Comp­Gen). Die Be­ar­bei­tung sol­cher An­fra­gen kann je­doch zei­tin­ten­siv und mit Kos­ten ver­bun­den sein.

Vor al­lem bei we­ni­ger ver­brei­te­ten Na­men kön­nen auch ein­fa­che Such­ma­schi­nen­an­fra­gen, an­schlie­ßen­de Tie­fen­re­cher­chen und dar­aus re­sul­tie­ren­de Kon­takt­auf­nah­me­ver­su­che zu heu­ti­gen Na­mens­trä­gern füh­ren. Al­ler­dings ber­gen sol­che Re­cher­chen im­mer die Ge­fahr zu­fäl­li­ger Na­mens­gleich­hei­ten. Das­sel­be gilt für die Su­che in so­zia­len Netz­wer­ken.

Ist be­kannt, in wel­chem Staat sich Erb­be­rech­tig­te heu­te auf­hal­ten, kann ge­ge­be­nen­falls auch ei­ne Kon­takt­auf­nah­me mit der je­wei­li­gen Bot­schaft wei­ter­füh­ren.

Spä­tes­tens an die­ser Stel­le sind die Mög­lich­kei­ten der Pro­ve­ni­enz­for­schung er­schöpft und, so­fern vor­han­den, das Jus­ti­tia­ri­at (das Recht­samt oder die Rechts­ab­tei­lung) des Trä­gers der Ein­rich­tung un­ver­zicht­bar.

Mit dem Vor­be­sit­zer ei­nes ent­zo­ge­nen oder ge­raub­ten Ob­jekts heu­te noch per­sön­lich in Kon­takt zu tre­ten, wird de­mo­gra­phisch be­dingt ei­ne im­mer sel­te­ne­re Aus­nah­me sein. Meist wird es sich bei heu­te mög­li­chen Kon­tak­ten um Kin­der, Kin­des­kin­der oder sons­ti­ge Nach­fah­ren han­deln. Heu­ti­ge Fa­mi­li­en­an­ge­hö­ri­ge zu er­mit­teln, be­ant­wor­tet aber noch nicht die Fra­ge, an wen zu re­sti­tu­ie­ren ist.

Für ei­ne Erb­fol­ge­do­ku­men­ta­ti­on ist man meist auf die Hil­fe­stel­lung der Er­ben selbst an­ge­wie­sen (z.B. durch Be­reit­stel­lung von In­for­ma­tio­nen zu Fa­mi­li­en­zwei­gen und Schick­sa­len). An die­sem Punkt ist des­halb zwin­gend ei­ne ak­ti­ve und di­rek­te Kon­takt­auf­nah­me mit den ver­mut­lich Erb­be­rech­tig­ten nö­tig, weil Re­cher­chen hier an ih­re Gren­zen sto­ßen.

An­zu­ra­ten ist im­mer ei­ne Kon­takt­auf­nah­me mit Ein­füh­lungs­ver­mö­gen und Fin­ger­spit­zen­ge­fühl: Es gibt Fäl­le, in de­nen die Nach­kom­men nichts vom frü­he­ren Ver­fol­gungs­hin­ter­grund ih­rer Vor­fah­ren wis­sen, z.B. weil die NS-Zeit und das da­durch er­fah­re­ne in­di­vi­du­el­le Leid, die Schä­di­gun­gen und die Be­sitz­ver­lus­te in­ner­halb der Fa­mi­lie ganz be­wusst aus­ge­blen­det blie­ben.

Die An­spruchs­be­rech­ti­gung ist die grund­sätz­li­che Be­fug­nis, An­sprü­che gel­tend ma­chen zu kön­nen. Die­se Be­rech­ti­gung ist von grund­le­gen­der Be­deu­tung (sie­he et­wa Ge­mein­sa­me Er­klä­rung, Zif­fer I). Sie er­gibt sich durch Klä­rung der Erb­fol­ge bzw. der Re­kon­struk­ti­on der (heu­ti­gen) Er­ben­ge­mein­schaft un­ter Zu­hil­fe­nah­me von Tes­ta­men­ten, Erb­schei­nen, Voll­mach­ten, ei­des­statt­li­chen Er­klä­run­gen oder ähn­li­chen Ur­kun­den.

Der An­spruch hin­ge­gen ist das kon­kre­te Recht ei­ner Per­son, auf ei­ner ent­spre­chen­den Grund­la­ge von ei­nem an­de­ren ein spe­zi­fi­zier­ba­res Tun oder Un­ter­las­sen ein­zu­for­dern, wie et­wa die Rück­ga­be ei­nes NS-ver­fol­gungs­be­dingt ent­zo­ge­nen Ob­jekts. Zi­vil­recht­lich sind die meis­ten Her­aus­ga­be­an­sprü­che be­reits ver­jährt, d.h. de­ren (ge­richt­li­che) Durch­set­zung ist heu­te nicht mehr mög­lich. Nach deut­schem Recht ist der heu­ti­ge Be­sit­zer zu­dem oft­mals auch Ei­gen­tü­mer ge­wor­den. In Streit­fra­gen soll­ten spe­zia­li­sier­te Ju­ris­ten kon­sul­tiert wer­den.

Auch vor die­sem Hin­ter­grund kommt der recht­lich nicht bin­den­den Ge­mein­sa­men Er­klä­rung ei­ne be­son­de­re Be­deu­tung zu, da sie – eben in Er­man­ge­lung ju­ris­tisch durch­setz­ba­rer An­sprü­che – auf mo­ra­lisch-ethi­scher Ebe­ne das Ziel der Rück­ga­be bzw. des ge­mein­sa­men Fin­dens fai­rer und ge­rech­ter Lö­sun­gen ver­folgt.

Bei den Schrit­ten 10 und 11 bie­tet das Deut­sche Zen­trum Kul­tur­gut­ver­lus­te sei­ne Un­ter­stüt­zung an:

Die Kon­takt­auf­nah­me mit den Ei­gen­tü­mern soll­te vom Ob­jekt­be­sit­zer aus­ge­hen (im Re­gel­fall ist be­reits Ver­bin­dung mit der Fa­mi­lie zum Klä­ren der Erb­fol­ge auf­ge­nom­men wor­den, s. Schritt 8). Bei­de Sei­ten – heu­ti­ge Be­sit­zer und Erb­be­rech­tig­te soll­ten ein­ver­nehm­lich klä­ren, wie mit be­tref­fen­den Ob­jek­ten um­zu­ge­hen ist, an de­nen der frü­he­re Ei­gen­tü­mer sein Ei­gen­tum bzw. sei­nen Be­sitz nur er­zwun­ge­ner­ma­ßen auf­ge­ge­ben hat.

Mit ei­ner Re­sti­tu­ti­on wird der An­spruch heu­ti­ger Er­ben an­er­kannt. Be­steht In­ter­es­se am Rück­er­werb der re­sti­tu­ier­ten Ob­jek­te durch die kul­tur­gut­be­wah­ren­de In­sti­tu­ti­on, kön­nen so­dann Mög­lich­kei­ten er­ör­tert wer­den, ob al­le oder ei­ni­ge Stücke in der Samm­lung ver­blei­ben dür­fen – und zu wel­chen Kon­di­tio­nen dies mög­lich ist.

Wis­sen­schafts- und Kul­turein­rich­tun­gen (öf­fent­lich oder pri­vat), so­wie Pri­vat­per­so­nen kön­nen durch das Deut­sche Zen­trum Kul­tur­gut­ver­lus­te beim Fin­den ei­ner fai­ren und ge­rech­ten Lö­sung im Sin­ne der Washing­to­ner Prin­zi­pi­en und der Ge­mein­sa­men Er­klä­rung von Bund und Län­dern un­ter­stützt wer­den (vgl. da­zu die Ru­brik „Lö­sun­gen“, die Pu­bli­ka­ti­ons­rei­he des Deut­schen Zen­trums Kul­tur­gut­ver­lus­te oder die Ver­öf­fent­li­chun­gen der Ko­or­di­nie­rungs­stel­le für Kul­tur­gut­ver­lus­te). Da­bei führt das Zen­trum selbst aber kei­ne Rück­ga­be- oder Re­sti­tu­ti­ons­ver­fah­ren durch und ist auch nicht rechts­be­ra­tend tä­tig.

Kann ei­ne fai­re und ge­rech­te Lö­sung über den di­rek­ten Kon­takt­weg nicht er­reicht wer­den oder ent­ste­hen Mei­nungs­ver­schie­den­hei­ten, emp­fiehlt sich ei­ne An­ru­fung der Be­ra­ten­den Kom­mis­si­on. Die An­ru­fung er­folgt durch die frü­he­ren Ei­gen­tü­mer und de­ren Er­ben ge­mein­sam mit den Ein­rich­tun­gen oder Per­so­nen, die ge­gen­wär­tig über das Kul­tur­gut ver­fü­gen, im ge­gen­sei­ti­gen Ein­ver­neh­men. Die Kom­mis­si­on wirkt auf ei­ne güt­li­che Ei­ni­gung zwi­schen den Par­tei­en hin und spricht ju­ris­tisch nicht bin­den­de Emp­feh­lun­gen aus.

Zu Auskunftszwecken erfasst die Stiftung Deutsches Zentrum Kulturgutverluste die ihr bekannt werdenden Restitutionen und Einigungen zu NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgütern in einem internen Verzeichnis.

Die erfassten Restitutionen stammen nicht nur aus öffentlichen Quellen, sondern beinhalten auch Daten, die von öffentlichen und privaten Einrichtungen vertraulich mitgeteilt wurden. Daher wird nur eine generelle Zahl der dem Deutschen Zentrum Kulturgutverluste bekannt gewordenen Restitutionen herausgegeben.

Um aber dennoch eine möglichst lückenlose Dokumentation zu erreichen, bieten wir öffentliche wie private Museen, Bibliotheken und Archive in Deutschland die Möglichkeit, die Stiftung per Online-Formular über Restitutionen oder andere gerechte und faire Lösungen im Zusammenhang mit NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut zu unterrichten. Auch Nachmeldungen früherer Rückgaben können über dieses Formular übermittelt werden.