Grundlagen von Proveana

Inhalte

Das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste fördert Provenienzforschung über Projekte in öffentlichen Kulturgut bewahrenden Einrichtungen wie Museen, Bibliotheken und Archiven sowie – im Forschungskontext „NS-Raubgut" – in privaten Institutionen und von Privatpersonen. Die Ergebnisse dieser Projekte werden in der Datenbank Proveana dokumentiert, aufbereitet und öffentlich zugänglich gemacht. Sie werden außerdem um weiterführende Informationen aus Literatur, Archivalien und digitalen Angeboten angereichert.

Proveana richtet sich insbesondere an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Opfer von Kulturgutentziehungen und ihre Nach­fah­ren sowie an Politik, Medien und die interessierte Öffentlichkeit.

Die Datenbank zielt darauf ab, die Projektergebnisse transparent zugänglich zu machen. Neben den Projektergebnissen stellt sie darüber hinaus weitere Informationen bereit. Dabei kann kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben werden, denn die Datenbank wird kontinuierlich mit Informationen angereichert und wächst dadurch weiter.

Die Forschungsberichte, die die geförderten Einrichtungen zum Abschluss ihres Projektes erstellen,  bilden eine inhaltliche Basis von Proveana. Ihre historischen Informationen werden in die Datenbank übertragen und dort nutzerfreundlich aufbereitet.

Die Forschungsberichte selbst stehen denjenigen Nutzerinnen und Nutzern in Form von PDF-Dokumenten zur Verfügung, die beim Zentrum einen erweiterten Zugang auf Basis eines berechtigten Interesses angemeldet haben. Die Berichte werden vor der Veröffentlichung in der Datenbank Proveana einer Datenschutzprüfung unterzogen und an den notwendigen Stellen geschwärzt.

Neben den Projektergebnissen bildet Proveana auch weitere, zuvor nur isoliert bestehende „Informationsinseln“ ab, wodurch diese nun sinnvoll miteinander verknüpft, für Suchanfragen optimiert und potentiell erweiterungsfähig gespeichert werden. Hierbei handelt es sich zunächst unter anderem um

  • Modul Forschungsergebnisse: Das Modul, wurde durch Proveana zu einer vollumfänglichen und nutzerfreundlichen Datenbank ausgebaut. Alle Inhalte des Moduls wurden in die Datenbank überführt.
  • Daten aus den Projekten zur Provenienzrecherche zum ​​​​​​„Kunstfund Gurlitt“.
  • das ehemalige Modul Provenienzrecherche der Lost Art-Datenbank wird z.Z. nach und nach in Proveana übernommen.
  • die Datenbank Lost Art (s.u.).

Proveana bietet Informationen zu vier Forschungskontexten:

1. NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut

Kunstwerke, Bücher, Kunstgewerbe und andere Kulturgüter, die ihren Eigentümern zwischen 1933 und 1945 aufgrund  nationalsozialistischer Verfolgung abhandengekommen sind. Häufig ist auch die Rede von „NS-Raubgut“.

Die Präzisierung „NS-verfolgungsbedingter Entzug“ umfasst verschiedene Formen des Verlusts: Plünderungen, scheinbar freiwillige Veräußerungen, die tatsächlich unter Druck stattfanden, unfreiwilliges Zurücklassen im Zuge von Deportationen usw. Die Präzisierung stellt den Verlust in unmittelbaren Zusammenhang mit der NS-Verfolgung.

Es sind nicht nur jüdische Eigentümer, sondern alle „aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, der politischen Auffassung oder der politischen Gegnerschaft gegen den Nationalsozialismus“ (Gesetz Nr. 59 der amerikanischen Militärregierung von 1947) verfolgten Personen gemeint: ethnische Minderheiten, politisch Verfolgte, politische Vereinigungen und Freimaurer.

Zum Datenbestand NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut

2. Kriegsbedingt verlagertes Kulturgut

Hier handelt es sich vor allem um den Entzug, die Verbringung oder Verlagerung  von Kulturgütern infolge des Zweiten Weltkriegs. Derartige Objekte werden häufig kurz als „Kriegsverluste“ bezeichnet, um sie von sogenanntem „Raubgut“ (das heißt den NS-verfolgungsbedingt entzogenen Gütern) begrifflich zu unterscheiden.

Hierzu zählen zum Beispiel die Beschlagnahmeaktionen der sowjetischen Trophäenkommissionen, oder die Diebstähle einzelner Militärangehöriger der alliierten Streitkräfte, oder ausgelagertes Museumsgut, das nach Beendigung der Kampfhandlungen aus unterschiedlichen Gründen (zum Beispiel Territorialverschiebungen nach Kriegsende) nicht mehr an seinen ursprünglichen Ort zurückgeführt wurde.

Da Kulturgut seit jeher bei bewaffneten Konflikten in Mitleidenschaft gezogen wird, verbietet die Haager Landkriegsordnung (1907) die Einziehung privaten Eigentums (in Artikel 46) und die Beschlagnahme „von geschichtlichen Denkmälern oder von Werken der Kunst und Wissenschaft“ (in Artikel 56).

Zum Datenbestand Kriegsbedingt verlagertes Kulturgut 

 

3. Kulturgutentziehungen in SBZ und DDR

Hiermit sind Kulturgutverluste privater Eigentümer gemeint, die in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ, 1945–1949) und in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR, 1949–1990) durch Behörden und andere staatliche Akteure verursacht wurden.        

Anfangs erfolgte die Einziehung von Privatbesitz aus Gründen der gesellschaftlichen Umgestaltung, später mit dem Ziel der Erwirtschaftung staatlicher Devisen, vielfach sogar unter Beugung geltenden DDR-Rechts. Hiervon betroffene Kulturgüter finden sich heute in Museen, Bibliotheken und Archiven sowohl der westlichen als auch der östlichen Bundesländer, aber auch in internationalen Sammlungszusammenhängen wieder.

In der SBZ fanden entschädigungslose Enteignungen statt z.B. im Rahmen der Bodenreform, der Bergung „herrenlosen“ Kulturguts, der Sequestrierung von Firmenvermögen (hierbei allerdings auch zur Bestrafung von NS-Funktionären und Kriegsverbrechern), der Liquidation von Vereinen und Stiftungen, nach Flucht über die Zonengrenze oder bei Zuchthausstrafen.

In der DDR geschah der Eigentumszugriff u.a. bei staatlichen Razzien (Aktion „Rose“, Aktion „Ungeziefer“, Aktion „Licht“), nach „Republikflucht“, nach Ausbürgerung, bei der Verstaatlichung privater Unternehmen oder teilweise rechtsbeugend im Zuge von Strafverfahren (z.B. aufgrund der Wirtschaftsstrafverordnung, dem „Gesetz zum Schutz des Volkseigentums“ oder dem Steuerstrafrecht).

Zum Datenbestand Kulturgutentziehungen in SBZ und DDR

 

4. Kultur- und Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten

Dies umfasst Objekte und menschliche Überreste, die aus kolonialen Kontexten stammen. Dabei wird der Begriff „koloniale Kontexte“ in Anlehnung an den „Leitfaden zum Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten“ des Deutschen Museumsbundes (2019) weit gefasst: Er bezieht sich nicht nur auf die vom Deutschen Reich in den Jahren 1884-1918/19 auf dem afrikanischen Kontinent, im heutigen China und im pazifischen Raum kolonisierten Gebiete, sondern auch auf die Geschichte der europäischen kolonialen Expansion insgesamt und deren Nachwirkungen.

Aus allen diesen Kontexten sind Objekte und menschliche Überreste in deutsche Museen und Sammlungen gelangt: nicht nur in ethnografische, sondern beispielsweise auch in kunsthistorische, archäologische, (stadt)geschichtliche, naturkundliche, anthropologische und anatomische Sammlungen.

Die Sammlungsumstände waren dabei sehr unterschiedlich und umfassten beispielsweise auch Formen des Handels, zumal in der Frühzeit der kolonialen Expansion. Dennoch zeichneten sich die Umstände gerade mit zunehmender Etablierung der kolonialen Herrschaft oft durch asymmetrische Machtbeziehungen aus und reichten bis hin zu offenem Diebstahl oder Plünderung. Die Provenienz von Kultur- und Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten muss daher im Einzelfall geprüft werden. Der Umgang mit menschlichen Überresten aus kolonisierten Gebieten, die nach Europa gebracht wurden, erfordert besondere Sensibilität.

Zum Datenbestand Kultur- und Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten

 

Datensatztypen

Die in der Datenbank Proveana bereitgestellten Daten werden acht verschiedenen Datensatztypen zugeordnet:

  1. Personen, Personengruppen und Körperschaften,
  2. Ereignisse,
  3. historische Sammlungen,
  4. Materielle Gegenstände,
  5. Provenienzmerkmale,
  6. Archivalien,
  7. Literatur und digitale Angebote,
  8. Forschungsprojekte und Berichte.

Proveana und die Lost Art-Datenbank

Die Lost Art-Da­ten­bank, ebenfalls vom Deut­schen Zen­trum Kul­tur­gut­ver­lus­te be­trie­ben, er­fasst Kul­tur­gü­ter, die in­fol­ge der na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Ge­walt­herr­schaft und der Er­eig­nis­se des Zwei­ten Welt­kriegs ver­bracht, ver­la­gert oder – ins­be­son­de­re ih­ren jü­di­schen Ei­gen­tü­mern – ver­fol­gungs­be­dingt ent­zo­gen wur­den. Diese Objekte werden in Form von Such- und Fundmeldungen in der Datenbank verzeichnet. Die „Grundsätze zur Eintragung und Löschung von Meldungen in die Lost Art-Datenbank“ können hier abgerufen werden.

Mit einer Suche in der Datenbank Proveana werden gleichzeitig die Inhalte der Lost Art-Datenbank durchsucht.  Somit ist ein zentraler Recherche-Einstieg über eine gemeinsame Suchmaske möglich.

Organisation

Die Entwicklung der Forschungsdatenbank und ihrer Webpräsenz wird im Rahmen einer Projektförderung von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien ermöglicht. 

Die Datenbank Proveana und die Webpräsenz werden vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste betreut; das Team kann hier kontaktiert werden kann.